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Good to Go: Der servus Campus

Versorgerin Dezember 2010

Seit über einem Jahr brennen die Universitäten in Österreich und über die Landesgrenzen hinaus. Die Protestbewegungen richten sich gegen die eingeführten Zugangsbeschränkungen, die Studiengebühren und gegen das Verwertungsinteresse von Bildung. Es wird von der Gesellschaft mittlerweile abgelehnt, dass sich StudentInnen im universitären Bereich

umschauen, etwas ausprobieren und sich vielleicht dann für ein anderes Studienfach entscheiden. Die StudentIn muss schon ein konkretes Ziel vor Augen haben und dieses zweifellos effizient durchziehen. Bildung ist heute unbestritten eine Größe im kapitalistischen System.
Die StudentIn wird dabei zur DienstleistungsempfängerIn. Die Universität finanziert sich mittlerweile auch über Werbung und Sponsoring. Das Bildungssystem Universität versteht sich als Dienstleistungsunternehmen.

Und während die Universitäten brennen, entwickelt sich in Linz ein unkonventionelles und offenes Forschungslabor: servus Campus. Im Herbst 2010 startete servus Campus in einem ersten Versuch eine Kooperation im künstlerischen Feld. Das Labor für Elektroakustische Musik und Neue Medien Linz und servus.at veranstalten seit Oktober eine Reihe an Workshop-Klassen, die bis ins Frühjahr andauern. Diese offenen Klassen werden technologierelevante Möglichkeiten mit freier Software und offener Hardware für künstlerische und kulturelle Produktionen in einer kollaborativen Weise erforschen. Das neue Format wird sukzessive erarbeitet und inkludiert auch einen Prozess, wie Gelerntes sinnvoll aufbreitet und verfügbar gemacht werden kann. Aus Platzmangel und Ressourcenmangel können maximal zehn TeilnehmerInnen an einer Klasse teilnehmen. Abhängig von den TeilnehmerInnen werden die Workshops in Deutsch oder Englisch abgehalten.

0 – 5 Hertz

Mit dem Projekt servus Campus eröffnet der Netzkulturverein neben den regelmäßigen Zusammenkünften unterschiedlicher Communities (Funkfeuer, Drupal, Linux-Ladies, Lugl) ein Lernexperiment. Servus Campus hat es sich zum Ziel gemacht im Bereich FLOSS (Free/Libre Open Source Software) und offene Hardware unkonventionelle Wege des Lernens zu ermöglichen. Das Ideal des selbstbestimmten oder selbstgesteuerten Lernens soll mit servus Campus verwirklicht werden und sich individuell in den Lebens- und Arbeitsbereich der TeilnehmerIn integrieren. Servus Campus ist definitiv keine DienstleisterIn, sondern basiert vielmehr auf den Prinzipien der fraktalen Organisation. Fraktale sind kleine Einheiten, die nach dem Prinzip der Selbstähnlichkeit ähnliche Strukturen wie das Ganze bilden und ihre Aufgaben eigenverantwortlich und selbstorganisiert erfüllen. Praktisch bedeutet das: Kennt man den Aufbau und die Struktur eines Modells oder Lerninhaltes, dann kann sich die NutzerIn von jedem Punkt aus einem Problem oder der Lösung nähern. Die StudentIn hat im servus Campus also die Möglichkeit, über die Ziele und Inhalte, über die Formen und Wege und Ergebnisse des Lernens selbst zu entscheiden. Die Lernkultur im servus Campus beinhaltet darüber hinaus auch Fehlerkultur und Feedbackkultur – die StudentIn kann spielen, experimentieren, ohne ihr eigentliches Ziel und die Aneignung von diversen Kompetenzen aus den Augen zu verlieren. Servus Campus ermöglicht in seiner Struktur eine prozesshafte Herangehensweise: Basics werden vermittelt, indem beispielweise gemeinsam erforscht wird, was nun den Computer zum Computer macht. Also auch, um die Grundlage dessen, was den Playground ausmacht, zumindest ansatzweise zu verstehen, zu kennen. Die Organisation von servus Campus in thematische Module oder sogenannte Workshopklassen hält das einzelne Modul extrem kompakt, aber überschaubar. Vermittelte Grundlagen in den Bereichen Elektronik, Akustik, verschiedenste Arbeitsmaterialen im Bereich Computing, Animation und Bewegung, 3D-Modelle, Robotik, Wieder-Verwertungsmöglichkeiten und Aspekte der praktischen Umsetzung mittels Software stellen das Rüstzeug dar, das sich die StudentIn aneignet. Das Wissen um technisches Knowhow ist die Basis für selbstorganisiertes Lernen in der Gemeinschaft. One-Way-Kommunikation war Gestern.
servus Campus agiert und forscht interdisziplinär und vernachlässigt dafür das überbewertete zertifizierte Lernen.

Digitale Freiheiten

servus.at ist als kulturelle Schnittstelle dafür bekannt, die Freiheiten und Unfreiheiten im Spannungsfeld Kunst-Kultur-Gesellschaftspolitik und Technik auszuloten. Der Verein liefert dazu einen wesentlichen Beitrag für die selbstbestimmte Nutzung des Netzes als Medium für neue künstlerische und medienkulturelle Produktion. Die Verwendung von FLOSS (Free/Libre Open Source Software) und offener Hardware und die Implikationen politischer Faktoren bei der Produktion von digitalen Daten werden hier vermittelt. servus Campus wendet sich vom bequemen Pragmatismus »True is what works« (Proprietäre Software) ab und stellt provokant »You can't open what you don't own« zur Disposition. Wie im »richtigen Leben« liegt auch im Bereich Technologie und Netz die Freiheit nicht irgendwo herum. Freiheit will angeeignet werden und das funktioniert über Dekonstruktion. Das Bewusstsein darüber, inwieweit Konsum diese Freiheiten einschränkt, wird nicht nur anhand von Gegenbeispielen exemplarisch; zum Beispiel durch die Grenzen proprietärer Software. Der Weg bedeutet Arbeit, lernen eben. Das schrittweise Erkunden von Konsequenzen und Möglichkeiten lässt die Teilnehmenden im Gegenzug kreatives Potential oder auch existentielle Über/Lebensthemen entdecken und erforschen. Die Philosophy FLOSS kann praktisch mit jedem beliebigen Thema in Verbindung gebracht werden. Auch mit der Frage, wie Kochen ohne Geld funktionieren kann. Das kreative Potential endet nicht bei dynamischen Websites: Es geht den direkten Weg und behandelt das, was der Fall der StudentIn ist. Das Werkzeug und die Kompetenz die Instrumente zu nutzen, vermittelt servus Campus – und vertraut auf den Forschergeist der Campus-TeilnehmerInnen. Für KünstlerInnen ist es heute schwierig künstlerische Positionen zu bestreiten, ohne sich mit Urheberrechtsfra-gen und un/freien Lizenzen auseinanderzusetzen. Im servus Campus findet die TeilnehmerIn ein Umfeld, indem diese Inhalte und Entscheidungsfragen kritisch diskutiert und ausgelotet werden.

Der servus Campus findet an fixen Terminen im servus Clubraum in der Stadtwerkstatt/Kirchengasse statt. (Pamela Neuwirth)

Kontakt: openclass@servus.at (mail goes to Enrique Tomas, Uschi Reiter-servus.at)
Projekt: http://www.servus.at/campus/2010/

VORSCHAU 2011

• Computer Music (January 2011)
• Novel Interfaces for Experimental Music (February 2011)
• Art Mobile Computing with Android (March 2011)
• Physical Materials for Art Construction
• Sound Sculptures
• Graphics Computing with Processing
• Computer Vision with OpenFrameWorks
• Drupal Mastering