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Art Meets Radical Openness – LiWoLi 2011

Versorgerin 90 /Juni 2011

Observing, comparing, reflecting, imitating, testing, combining

Schon wieder eine Deadline und ich dachte ich darf nach vier Tagen und 16 bis 18 Stunden-Arbeitstagen endlich ins Koma fallen. Aber gut die Eindrücke von unserer Veranstaltung in Kooperation mit der Kunstuniversität sind noch frisch und der Rhythmus des regelmäßigen Hochschreckens durch den Gedanken, irgend etwas auf einer Taskliste vergessen zu haben, noch nicht vorbei. Und es ist ohnehin besser am Arbeiten zu bleiben, um nicht in eine After-Festival-Depression zu fallen.

„Art Meets Radical Openness“ (LiWoLi 2011) vom 12-14 Mai hat durch einen internationalen Open Call und zahlreiche regelmäßige Arbeitstreffen im Vorfeld begonnen, ehe über 30 Kunst- und Kulturschaffende dafür nach Linz anreisten. Einige Gäste waren schon das zweite Mal Teil bei der Veranstaltung, die sich mittlerweile zu einem beliebten Treffpunkt in der FLOSS+ART Community entwickelt hat . Ein besonderer Erfolg: Dass heuer, wo es wieder um die Entwicklung und Nutzung von FLOSS (free/libre open source software) und Open Hardware ging, 14 Frauen und 16 Männer für spannende Beiträge sorgten! Wenn man davon ausgeht, dass bei Tech-Events rund um Open-Source- Software-Entwicklung die Teilnahme von Frauen nur die 10% Marke trifft, sehr erfreulich.

Weil wir uns von Jahr zu Jahr neue Herausforderungen stellen, war heuer ein besonderes Highlight eine Ausstellung zu entwickeln, die den Anspruch hatte, dass KünstlerInnen zusätzlich einen Workshop anbieten, der sich mit dem ausgestellten Werk beschäftigt und TeilnehmerInnen des Workshops aktiv in die Arbeit der KünstlerInnen einbinden sollte. Nur KünstlerInnen, die auch den Quellen Code, Schaltpläne, How to's, Skizzen ihrer Werke öffentlich unter freien Lizenzen zur Verfügung stellen, konnten Teil dieser Ausstellung sein. Radical open eben! In die Ausstellungsumsetzung und Realisierung vor Ort wurden erstmals StudentInnen innherhalb einer Lehrveranstalung der Kunstuniversität in den gesamten Prozess eingebunden. Eine prinzipiell geniale Idee, die in der Praxis nicht ganz einfach durchzuführen war. Diese neue Erfahrung bedarf jedenfalls einer weiteren Auseinandersetzung und Reflexion.
Es kam zu sechs künstlerischen Positionen in der Ausstellung, von denen eine besonders herausragte und tatsächlich alle Punkte unglaublich gut erfüllen konnte. Es war das Team rund um „the possible and impossible machine“. minipimer.tv aus Barcelona, bestehend aus Laura Malinverni , Lucía Egaña Rojas, Tamar Regev und Verónica Lahitte brachten wirkliches Leben in den für sie vorgesehen Ausstellungsraum, als sie kurz nach ihrer Ankunft mit dem Aufbau ihrer Arbeit anfingen. Es war fantastisch zu beobachten, wie diese Gruppe mit einfachsten Mitteln den ganzen Raum bewältigen konnten und auch inhaltlich etwas zu sagen hatten.
possible impossible machinepossible impossible machine
Die Beschreibung, die minipimer.tv für ihre Installation „the possible and impossible machine“ hat, lautet;

„Die Maschine ist ein Vorwand, eine Ausrede. Als Werkzeug dient sie der Diskussion des Wichtigen, ist Meta-Betrachtungsapparat, (Selbst-) Lernprozess, soziale Technologie, die wie ein Lagerhaus für Fehler und Frustrationen funktioniert. Die Maschine ist eine Reflexion über die Dynamik des kollektiven Schaffens, über die mögliche (und unmögliche) Verschiebung der Vorstellung des Codes. Die Maschine funktioniert erst, wenn 9 Personen sich gemeinsam koordinieren und zusammen - und im gleichen Moment - alle 9 Sensoren gleichzeitig aktivieren können.“

Der Workshop am folgenden Eröffnungstag, der dazu dienen sollte, die Installation mit Hilfe der TeilnehmerInnen zu erweitern, funktioniert nach dem Prinzip des prozesshaften Arbeitens, wo alle ihr Wissen in die Installation einbringen und umsetzen konnten. Untereinander, erzählen mir die KünstlerInnen, ging es noch stundenlang mit Diskussionen auf der Eleonore im Winterhafen, wo alle untergebracht waren, weiter. So soll es sein!

Ausstellung, Workshops, Vorträge - kurzzeitig war das Foyer der Kunstuniversität wieder mit Leben gefüllt.
Unter dem Titel 'Plutonian Striptease' kuratierte die niederländische Software-Künstlerin und Mitautorin der Publikation FLOSS+Art Marloes de Valk Vorträge, die hinter das Phänomen von sozialen Medien blicken und neue Sichtweisen ermöglichen. Im Rahmen der Vorträge bewiesen insbesondere künstlerische Projekte, wie man die Welt des Datensammelns und den dahinterstehenden Markt begreifbar machen kann.

Zwei sehr spannende Abende mit interessanten Gästen. Alle Beiträge der Ausstellung sind auf der LiWoLi Webseite dokumentiert. Alle Vorträge wurden in Kooperation mit dem lokalen Community TV dorfTV via Stream übertragen und auch ins dorf eigene Fernsehen gesendet. Wer diese Vorträge versäumt hat, kann sich die archivierten Aufzeichungen in aller Ruhe zu Gemüte führen.
Einen willkommenen Locationwechsel brachte heuer die LiWoLi-Nightline in der Stadtwerkstatt. Jeden Abend konnte LiWoLi bis zu drei Acts bieten, die nicht unterschiedlicher und experimenteller hätten sein können. Die Stimmung im Saal war immer aufmerksam und freundlich, selbst als das extra aus den USA angereiste 13 köpfige Linux Laptop Orchestra mit einem doch eher konservativen und ernsten Anspruch auf die STWST-Dancehall tifft und 60 min den Saal mit Klängen füllte, die man eher im Brucknerkonservatorium vermuten würde, wird nicht mit faulen Tomaten geschossen. Erstaunlich!

Wie geht’s weiter? Gute Frage! Wo, wie, warum LiWoLi weitergehen wird ist für mich persönlich noch nicht ganz klar. Wie jedes Jahr, behaupten böse Zungen. Nach vier Jahren LiWoLi @ Kunstuni ist es aber auch an der Zeit darüber nachzudenken welche fruchtbaren Spuren wir hier tatsächlich hinterlassen konnten? Die Zusammenarbeit und die Unterstützung der Kunstuniversität ist prinzipiell sehr gut. Ganz klar aber, dass es vor allem einzelne Personen sind, die sich hier überdurchschnittlich engagieren. Nur über solche guten Kommunikations-Schnittstellen zur Verwaltung ist es möglich diese Veranstaltung hier zu realisieren. Die Beteiligung von Lehrenden und StudentInnen lässt für meine Idealvorstellung doch immer noch zu wünschen übrig. Nach vier Jahren haben wir auch den Hauptplatz 8 auf viele seiner Stärken und Schwächen getestet...

Ich freue mich jedenfalls auf eine angeregte Diskussion in unserer Nachbesprechung!
www.liwoli.at

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