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netz und politik

Neue Exportregeln: China zieht Barrieren für den Verkauf von TikTok hoch

Netzpolitik - Tue, 01/09/2020 - 12:03

Das Rennen um die Zukunft von TikToks Geschäft in den USA geht in die Schlussrunde. Berichten der New York Times zufolge sind derzeit noch zwei Bieter im Finale um die erfolgreiche Video-Sharing-App: zum einen Microsoft, jetzt flankiert von der Supermarktkette Walmart, zum anderen der Softwarekonzern Oracle. TikToks chinesischer Besitzer ByteDance soll eine Entscheidung in den kommenden Tagen treffen.

Doch während sich auf der US-amerikanischen Seite eine Lösung der techno-diplomatischen Krise abzeichnet, hat China unerwartet die Hürden hochgezogen: In einem diplomatischen Manöver aktualisierte das chinesische Wirtschaftsministerium am Freitag eine Liste mit Technologien, die nur noch mit Genehmigung ins Ausland verkauft werden dürfen. Neu auf der Liste: Daten-Analyse und Künstliche Intelligenz. Zwei Bereiche also, mit denen sich TikTok besonders rühmt.

Am Samstag veröffentlichte die staatliche Nachrichtenagentur zudem ein Interview mit einem chinesischen Professor für internationalen Handel. Seine Auslegung: Vermutlich brauche ByteDance nun eine Exporterlaubnis, um TikTok an ein US-Unternehmen verkaufen zu dürfen. Beijing möchte in der Sache anscheinend das letzte Wort behalten.

In der Klemme zwischen zwei Supermächten

TikTok ist die bislang erfolgreichste App, die je von einem chinesischen Unternehmen veröffentlicht wurde. Den Käufern, die um die Übernahme der US-Geschäftes buhlen, war ohnehin klar, dass sie sich mitten hinein begeben in eine diplomatische Auseinandersetzung zwischen zwei Supermächten. Denn die US-Regierung erhöht seit Wochen den Druck auf TikTok. Zuletzt hatte Trump angeordnet, dass niemand in den USA mehr Geschäfte mit ByteDance machen darf und dass sich der chinesische Konzern von allen US-Nutzerdaten trennen muss.

Nun eskaliert die Auseinandersetzung weiter. Wer TikTok trotz der chinesischen Muskelspiele übernimmt, muss nun fürchten, es sich mit der chinesischen Führung zu verscherzen.

Auf eine Art nimmt Chinas Führung damit den Ball auf, den die US-Regierung ihr zugespielt hat. Außenminister Mike Pompeo hatte TikTok in den vergangenen Monaten wiederholt als Bedrohung für die nationale Sicherheit bezeichnet – eine Sichtweise, die Trump später in seinen Dekreten gegen ByteDance aufgriff. Nun macht auch China klar, dass es das Unternehmen und seine Technologien als sicherheitsrelevant ansieht – und einen Verkauf im Zweifel verhindern könnte.

Vorherrschaft im digitalen Raum

Der Jurist Dennis-Kenji Kipker, der zur internationalen Cybersicherheit forscht, sagt, der Schritt sei absehbar gewesen. „Mich hat ohnehin gewundert, dass sich der chinesische Staat so lange raushielt.“ China gehe es letztlich nicht um die App oder das Unternehmen Bytedance, sondern um die Vorherrschaft im digitalen Raum.

Fergus Ryan, der sich am Australian Strategic Policy Institute (ASPI) mit Chinas IT-Politik beschäftigt, sagt, die Maßnahme könne dazu dienen, ByteDance einen besseren Hebel für die Verhandlungen zu verschaffen und so den Preis in die Höhe zu treiben. „Vor allem ist es faszinierend, dass Peking den Inhalt von TikToks Algorithmus offenbar als Frage der staatlichen Sicherheit betrachtet.“

Ob China einen Verkauf der App am Ende tatsächlich blockieren wird, ist unklar. Sollte das passieren, wäre das ein harter finanzieller Schlag für ByteDance. TikTok soll in den USA derzeit 100 Millionen aktive Nutzer:innen haben, diese Zahlen hat TikTok in einer Klage gegen die US-Regierung offen gelegt. Zugleich würde die chinesische Führung damit Trump in die Ecke drängen. Denn sollte ein Verkauf scheitern und die App in den USA tatsächlich aus den App-Stores fliegen, wäre Trump die Wut der US-Nutzer:innen sicher.

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In eigener Sache: Wir testen im September ein Vorschaltbanner. Wie findet ihr das?

Netzpolitik - Tue, 01/09/2020 - 08:56

netzpolitik.org wird über freiwillige Leser:innenfinanzierung ermöglicht. Bei uns gibt es dafür keine Werbung und kein Tracking. Unsere Artikel, Podcasts und investigative Recherchen sind aber für alle frei zugänglich. Das wollen wir auch beibehalten. Spenden ermöglichen unsere Arbeit, mit mehr Geld könnten wir noch mehr Recherchen machen, über noch mehr Themen berichten und einfach unsere Arbeit noch besser machen. Wir haben bisher eher zurückhaltend auf unsere Finanzierung hingewiesen. Vor allem unsere vielen Gelegenheitsleser:innen bekommen davon wenig mit, wie wir immer wieder durch Feedback und Nachfragen wegen unserer Finanzierung feststellen.

Bei den meisten vergleichbaren Medienseite, die über Spenden funktionieren, gibt es bereits seit langem eine dauerhafte Vorschaltseite, die vor dem Lesen auf das Finanzierungsmodell hinweist. Uns ist bewusst, dass eine solche Vorschaltseite einen weiteren Klick benötigt, um unsere Artikel lesen zu können. Das führt vor allem dazu, dass unsere regelmäßigen Leser:innen und Spender:innen häufiger klicken müssen. Dafür haben wir bisher keine technische Lösung auf unserer Seite, aber einen kleinen Tip: Mit Anti-Tracking-Tools und Werbeblockern könnt Ihr bei Euch die Vorschaltseite dauerhaft ausschalten.

Aber wir wollen mal ausprobieren, ob eine solche Vorschaltseite einen Beitrag leisten kann, unsere Arbeit noch besser machen zu können. Indem wir darüber möglicherweise mehr Spenden bekommen. Im Anschluss an den Testmonat werden wir das Experiment auswerten.

Wir haben das Thema Vorschalt-Seite in der Redaktion intensiv und kontrovers diskutiert – und uns dann entschieden, dies für einen begrenzten Zeitraum auszuprobieren. Für die Auswertung wäre es hilfreich, Feedback von euch zu bekommen:

  • Stört euch die Vorschaltseite überhaupt?
  • Wenn sie euch stört: Welche Ideen habt ihr, wie wir die Menschen sonst auf unsere freiwillige Leser:innenfinanzierung hinweisen können?
  • Würdet ihr damit klarkommen, wenn wir so eine Vorschaltseite temporär für Spendenkampagnen außerhalb der Vorweihnachtszeit einsetzen würden?
  • Andere spendenfinanzierte Medien setzen auch auf Vorschaltseiten mit Spendenhinweisen. Kennt ihr besonders gelungene Umsetzungen?

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Geburtstag der „Digitalen Gesellschaft“: Der Kampf für digitale Grundrechte geht weiter

Netzpolitik - Tue, 01/09/2020 - 08:00

Deutschland im Jahr 2010: Das Land diskutiert über Netzsperren, eine Internet-Enquete-Kommission berät den Bundestag und in ungezählten Podiumsdiskussionen diskutieren Menschen über die Chancen und Risiken des Internets. Im gleichen Jahr gründen neun Menschen, die bereits seit langem zu den Themen arbeiten, die jetzt plötzlich alle interessieren, die „Digitale Gesellschaft“. Ihr Ziel: Das Versprechen von Freiheit und Demokratie im Internet verteidigen. Eine professionelle zivilgesellschaftliche Organisation aufbauen, die weder parlamentarische Anhörungen noch Demonstrationen scheut.

Seitdem ist das Themenfeld explodiert. Was ist im Jahr 2020 nicht alles „Netzpolitik“ – oder „Digitalpolitik“, wie vor allem Parteipolitik und Wirtschaft das Politikfeld umtauften? Das ist in der Tat schwer zu sagen. Doch die grundlegenden Konflikte sind die gleichen geblieben.

Zehn Jahre Urheberrecht, Datenschutz und Überwachung

Da ist zum einen das Urheberrecht und seine Durchsetzung. Die grundrechtswidrige Kontrolle von Nutzenden und Inhalten zur Durchsetzung eines überkommenen Urheberrechts im Handelsabkommen ACTA war eines unserer ersten Themen und Erfolge. Beinahe erschreckend sind die Parallelen zu den Uploadfiltern, deren gesetzliche Einführung fast ein Jahrzehnt später Realität werden könnte. Beide Male waren – und sind – wir auf der Straße, erklären das Thema der Öffentlichkeit und verfassen Stellungnahmen. (Wer mehr wissen will, findet hier den Rückblick unseres Vorstands Volker Grasmuck auf zehn Jahre Urheberrecht und Uploadfilter.)

Zwischen 2010 und 2020 liegen auch die Enthüllungen Edward Snowdens. 2013 veröffentlichte der NSA-Whistleblower Dokumente über das Ausmaß der weltweiten Überwachung der westlichen Geheimdienste. Kurz nach den ersten Leaks demonstrierten wir am Checkpoint Charlie in Berlin gegen Massenüberwachung und unkontrollierte Geheimdienste und haben der internationalen Snowden-Berichterstattung dezidiert andere Bilder geliefert. (Wer mehr wissen will, findet hier den Rückblick unseres Vorstands Rüdiger Weis auf zehn Jahre staatliche Überwachung, Kryptographie und Open Source.)

10 Jahre DigiGes sind untrennbar verbunden mit der Entstehung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die wir seit dem ersten Entwurf begleiten, erklären und verbessern. Die DSGVO ist eines der wenigen rechtlich verbindlichen Instrumente, die vor Durchleuchtung, Diskriminierung und Kontrolle durch Behörden und Unternehmen schützen. (Wer mehr wissen will, findet hier meinen Rückblick auf zehn Jahre Datenschutzdebatte.)

Zehn Jahre Dranbleiben

Daneben gab und gibt es verwandte Themen und Initiativen, die uns begleiten. Hierzu gehört das leider nicht verhinderte Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder die auf unseren Druck hin weitgehend abgeschaffte Störerhaftung. Hierzu gehören die kleinen Schwestern und Brüder der Geheimdienstüberwachung wie die Fluggastdatenspeicherung. Hierzu gehören Spezialfragen des Datenschutzes wie Tracking und Gesundheitsdaten.

Was unsere Arbeit an diesen Themen eint: Sie überdauert die üblichen Aufmerksamkeitszyklen. Sie ist oft trocken, vor allem wenn es in die Details geht. Und: Sie bleibt oft unsichtbar. Gespräche hinter den Kulissen und die Vernetzung von Organisationen und Personen sind vertraulich. Seitenlange Stellungnahmen sind kein tausendfach geteiltes Meme.

Nicht zuletzt erscheinen vielen unsere Themen angesichts globaler Herausforderungen wie Migration, Klimawandel und Corona-Krise nicht immer als die wichtigsten. Wer genauer hinschaut, erkennt, dass all diese Herausforderungen auch eine digitale- bzw. netzpolitische Dimension haben. Sei es der Datenschutz bei Corona-Apps oder die Frage, ob Plattformen politische Meinungsäußerungen verhindern, etwa durch Uploadfilter. Gerade deshalb heißt 10 Jahre DigiGes auch 10 Jahre Dranbleiben.

Zehn Jahre Probieren und Dazulernen

Bei der Gründung der DigiGes war die Schaffung einer professionellen „Lobby“ für digitale Grundrechte keine Selbstverständlichkeit. Heute ist die Zahl der Organisationen in der erweiterten digitalen Zivilgesellschaft enorm gewachsen. Die Organisationen haben sich in ihren Themen und Methoden differenziert. In diesem Konzert ist die Digitale Gesellschaft mit ein bis zwei bezahlten Mitarbeiterinnen eher klein. Das darf sich in den nächsten zehn Jahren gern ändern. Zugleich ist Wachstum kein Selbstzweck und – wie wir gelernt haben – auch kein Automatismus.

Wir haben experimentiert, Fehler gemacht und lernen ständig dazu. Wie schafft man es, hauptamtliche und ehrenamtliche Arbeit zu verbinden? Welche Aktionsformen funktionieren? Und vor allem: Wo kommt das Geld her? Wie wir uns genau finanzieren, haben wir auf unserem Blog erklärt. Im Moment tragen uns neben einer Basisfinanzierung durch die Open Society Foundations (OSF), die allerdings in diesem Jahr ausläuft, vor allem unsere Fördermitglieder. Vielen Dank dafür!

Experimentiert haben wir auch mit Projektarbeit als Einnahmequelle. Heute steht für uns fest, dass wir in Zukunft vollständig spendenfinanziert sein wollen, um unabhängig und langfristig arbeiten zu können. Wir freuen uns über jede Spende und jedes neue Fördermitglied. Der Kampf für digitale Grundrechte ist nicht umsonst.

Zehn Jahre gemeinsam

Wir machen Kampagnen- und Lobbyarbeit. Andere hacken, klagen, berichten, machen Musik, Kunst und vieles andere. Die Vielfalt, Dezentralität und auch das Maß an ehrenamtlichem Engagement in der digitalen Zivilgesellschaft in Deutschland sind besonders. Am großartigsten war und ist es zusammen. Bei den Protesten gegen Uploadfilter zum Beispiel, wo die üblichen Verdächtigen neben tausenden jugendlichen Netzbewohnerinnen und -bewohnern demonstrierten.

Kaum zu unterschätzen sind auch die europäischen Netzwerke wie EDRi und Communia, deren Teil wir sind. Wir bedanken uns bei allen Organisationen und vor allem bei den Personen dahinter. Ohne euch wäre das Netz nur ein überwachtes Einkaufzentrum.

Besonders bedanken möchten wir uns aber bei denen, die Digitale Gesellschaft möglich gemacht haben und machen: Den Gründern, Mitgliedern und Vorständen, die unzählige Stunden ehrenamtliche Arbeit in den Verein gesteckt haben, allen früheren und heutigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die weit über das Erwartbare hinaus für den Verein gearbeitet haben, unseren Admins und der c-base für bald 100 Netzpolitische Abende. Der Kampf für digitale Grundrechte geht weiter.

Zehn Jahre feiern: Netzpolitischer Abend und Revue

Am Dienstag, den 1. September 2020, ab 20:00 Uhr, feiern wir unseren 10. Geburtstag auf dem 97. Netzpolitischen Abend. Als Geburtstagsgäste dürfen wir den Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber, Informatikprofessor und Vorstand der Gesellschaft für Informatik Hannes Federrath sowie Netzpolitik-Journalistin Anna Biselli begrüßen. Den Abend gibt es coronabedingt als Stream aus der c-base.

Am darauf folgenden Samstag, den 5. September 2020, ab 19:00 Uhr, veranstalten wir eine kleine Revue mit Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern auf der c-base. Wir sprechen mit Rena Tangens (Digitalcourage) über das große Ganze, John Weitzmann (Wikimedia) über Urheberrecht, Katharina Nocun über Datenschutzaktivismus und Bijan Moini (Gesellschaft für Freiheitsrechte) über Geheimdienstüberwachung. Danach legt Tasmo für euch auf. Auch die Revue gibt es als Stream aus der c-base.

Offenlegung: An der Gründung der Digitalen Gesellschaft waren mehrere Menschen aus dem Umfeld von netzpolitik.org beteiligt, in der Anfangszeit teilte man sich ein Büro. Auch wenn heute noch einige unserer Autor:innen ehrenamtliche Mitglieder des Vereins sind, sind es getrennte Organisationen mit voneinander unabhängigen Strukturen und Finanzen.

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Was vom Tage übrig blieb: Fehler, Falschmeldungen und Facebook

Netzpolitik - Mon, 31/08/2020 - 17:00

Facebook Executive Supported India’s Modi, Disparaged Opposition in Internal Messages (Wall Street Journal)
Eine Führungskraft von Facebook hat sich jahrelang intern für die nationalistische Partei von Indiens Premierminister Narendra Modi ausgesprochen. Die auf dem indischen Markt für „Public Policy“ verantwortliche Ankhi Das warb in Gruppen, in denen Hunderte Facebook-Mitarbeiter:innen mitlesen konnten, bis kurz vor der Wahl 2014 für Narendra Modi und wertete seine Rivalen ab. Erst jetzt wurden ihre Postings gemeldet, sie liegen dem Wall Street Journal vor. Mitarbeiter:innen von Facebook beschwerten sich über Das‘ Verhalten, weil es dem Neutralitätsversprechen des Unternehmens bei Wahlen klar widerspricht.

Covid Is Accelerating a Global Censorship Crisis (Wired)
Im Internet verbreitete Falschmeldungen und Verschwörungsmythen können, auch und gerade in Zeiten von Covid-19, schnell gefährlich werden. Doch vor allem autoritäre Regierungen nutzen die Krise, um ihre Macht noch weiter abzusichern, berichtet Wired.

CenturyLink outage led to a 3.5% drop in global web traffic (zdnet.com)
Der US-amerikanische Internet-Provider CenturyLink hat am Sonntag mit einem Fehler in einem seiner Datenzentren für massive Internetprobleme gesorgt – auch bei anderen Anbietern. Das berichtet das Online-Portal ZDNet. Namhafte Plattformen seien vom Ausfall betroffen gewesen, darunter Amazon, Twitter und Steam. Mit einem Rückgang von 3,5 Prozent im globalen Internetverkehr könnte der Vorfall einer der größten Internetausfälle sein, die je registriert wurden. Die Ursache des Chaos sei ein falsch konfiguriertes Routing-Protokoll gewesen, das auch die Kommunikation mit anderen Providern betroffen habe, sodass nicht nur CenturyLink Ausfälle zu vermelden hatte. Es habe fast sieben Stunden gedauert, das Problem zu beheben.

Jeden Tag bleiben im Chat der Redaktion zahlreiche Links und Themen liegen. Doch die sind viel zu spannend, um sie nicht zu teilen. Deswegen gibt es jetzt die Rubrik „Was vom Tage übrig blieb“, in der die Redakteurinnen und Redakteure gemeinschaftlich solche Links kuratieren und sie unter der Woche um 18 Uhr samt einem aktuellen Ausblick aus unserem Büro veröffentlichen. Wir freuen uns über weitere spannende Links und kurze Beschreibungen der verlinkten Inhalte, die ihr unter dieser Sammlung ergänzen könnt.

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Gesetz gegen Kindesmissbrauch: EU-Kommission plant Durchleuchtungspflicht

Netzpolitik - Mon, 31/08/2020 - 13:35

Die EU-Kommission plant gesetzliche Maßnahmen zur Überwachung von Online-Diensten wie Facebook und GMail. Im Visier steht auch die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Messengerdiensten wie WhatsApp und Signal.

Die Maßnahmen sollen die Bekämpfung von Kindesmissbrauchsvideos und -Bildern erleichtern, die über Cloud-Dienste und soziale Netzwerke verbreitet werden, heißt es von der Kommission. Sie verkündete den Schritt ohne großes mediales Echo kurz vor der Sommerpause im Juli.

Datenschützer und EU-Abgeordnete äußern sich nun allerdings skeptisch.

Neue Rechtslage wird wieder ausgehebelt

Mit den neuen Gesetzen reagiert die EU-Kommission auf eine bislang wenig beachtete Gesetzesänderung: den Europäische Code für elektronische Kommunikation. Mit Jahresende stärkt die neue Richtlinie die Vertraulichkeit von E-Mail, Messengerdiensten und Internettelefonie. Diese sogenannten Over-the-Top-Anbieter sind dann rechtlich mit klassischen Kommunikationsmitteln wie Telefon und Fax praktisch gleichgestellt, es gilt etwa das Fernmeldegeheimnis.

Dies steht dem Bestreben der Kommission entgegen, die digitale Verbreitung von Darstellungen von Kindesmissbrauch zu verhindern. Denn Dienste wie Facebook und YouTube durchleuchten heute automatisiert die Inhalte ihrer Nutzer auf Anzeichen von Kindesmissbrauch. Sie verwenden dafür eine von Microsoft entwickelte Technologie: PhotoDNA prüft hochgeladene Bilder und Videos darauf, ob ihre Signatur (Hash-Wert) mit jenen aus einer Datenbank von bekanntem Kindesmissbrauchsmaterial übereinstimmt.

Auf diese Art wurden EU-Behörden im Vorjahr rund drei Millionen Bilder und Videos gemeldet, heißt es in der Mitteilung der EU-Kommission. Doch ab Ende Dezember gibt es für das routinemäßige freiwillige Durchleuchten von Uploads keine rechtliche Grundlage mehr, beklagt die EU-Behörde. „Die Kommission ist der Ansicht, dass sofortige Maßnahmen erforderlich sind, um dem zu begegnen.“ Das neue Gesetz soll eine rechtliche Basis dafür schaffen.

Vorschlag für Meldepflicht folgt 2021

Die Kommission plant aber bereits über freiwilliges Monitoring hinausgehende Schritte. Eine zusätzliches Gesetz soll Dienstanbieter verpflichten, die Inhalte ihrer Nutzenden auf Kindesmissbrauchsinhalte zu durchsuchen und an die Behörden zu melden. Der Entwurf für das Gesetz soll bereits in den nächsten 10 Monaten vorgelegt werden.

Darüber hinaus wünscht sich die Kommission ein Mittel, um verschlüsselte Kommunikation durchleuchten und Missbrauchsdarstellung aufspüren zu können. Eine technische Möglichkeit dazu soll bis Jahresende das Europäische Internetforum liefern, ein Netzwerk aus Konzernen und EU-Institutionen. Es sollten dafür „am Gerät, Server bzw. Verschlüsselungsprotokoll ansetzende Lösungen“ geprüft werden, betont die Kommission.

Nach Ansicht der EU-Behörde ist die Durchleuchtung von Inhalten mit deren Vertraulichkeit vereinbar. Praktisch bedeutet dies aber die Quadratur des Kreises, kritisiert Diego Naranjo von European Digital Rights gegenüber netzpolitik.org.

Denn wenn Anzeichen von Kindesmissbrauch auffindbar gemacht werden können, dürfte dies auch für andere Inhalte möglich sein, sagt Naranjo. Es wirke, als wolle die Kommission die Nachrichteninhalte von Nutzer:innen entweder vor der Verschlüsselung durchleuchten oder Hintertüren in die Verschlüsselung einbauen

Beide Möglichkeiten hält Naranjo für problematisch. Denn wenn die Verschlüsselung erst umgangen werden könne, stehe anderen Formen der Durchleuchtung etwa gegen Urheberrechtsverletzungen nichts mehr im Wege, glaubt der NGO-Aktivist. Er verweist darauf, dass es andere Methoden zur Umgehung von Verschlüsselung gebe, die nicht auf Durchleuchtung aller Inhalte beruhen.

Breyer: Plan gleicht QAnon-Mythos

Das Vorhaben stößt auch bei EU-Abgeordneten auf Kritik. Es sei zwar wichtig, dass die Kommission beim Thema Kindesmissbrauch nicht locker lasse, sagt der FDP-Politiker Moritz Körner. „Das Europäische Parlament hat jedoch nicht vergessen, dass Kommissionspräsidentin von der Leyen sich ihren Spitznamen ‚Zensursula‘ gerade bei dem Thema Kindesmissbrauch erarbeitet hat.“ Das EU-Parlament werde bei Überwachungsmaßnahmen und der möglichen Aushebelung von Verschlüsselungstechnologien die Verhältnis- und Zweckmäßigkeit der Schritte im Blick behalten.

Fundamentale Kritik kommt von dem Piraten-Abgeordneten Patrick Breyer: „Verdachtslose Massenzensur des Internetzugangs und privater Nachrichten verletzt das Grundrecht auf Achtung unserer Privatsphäre und unserer Korrespondenz“, sagt der Abgeordnete, der in der Grünen-Fraktion sitzt. „Die Sicherheit unserer Kommunikationsinfrastruktur vor Kriminellen und Geheimdiensten braucht wirksame Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.“

Patrick Breyer CC0 kryp

„Der Plan der EU-Kommission liest sich stellenweise ähnlich wie die QAnon-Verschwörungstheorie, derzufolge Pädophile die Welt beherrschten“, sagt Breyer gegenüber netzpolitik.org. Der EU-Abgeordnete fordert Alternativen zur Meldepflicht:

Fakt ist: Sexueller Missbrauch ist gerade durch Verwandte, Freunde und Bezugspersonen sehr verbreitet, und die allerwenigsten Missbrauchsfälle werden überhaupt dokumentiert. Kaum einmal kann Opfern sexuellen Kindesmissbrauchs durch Ermittlungen wegen kinderpornografischer Darstellungen geholfen werden. Um Kinder vor Missbrauch zu schützen bräuchte es ganz andere Maßnahmen wie flächendeckende Präventions-, Erkennungs- und Aussteigerprogramme, doch die sind seit Jahren skandalös unterfinanziert.

EU macht Druck auf Facebook

Besonderes Augenmerk richtet die EU-Kommission in ihren geplanten Maßnahmen auf Facebook. 94 Prozent der weltweiten Meldungen von Kindesmissbrauchsinhalten stammen von dem Konzern, dessen Dienste Facebook, Instagram und WhatsApp global von mehr als zwei Milliarden Menschen regelmäßig genutzt werden.

Facebookchef Mark Zuckerberg CC-BY 2.0 Anthony Quintano

Der Konzern hat angekündigt, dass Nutzende in Zukunft zwischen allen seinen Diensten verschlüsselt Nachrichten austauschen können sollen. Bislang funktioniert das nur bei WhatsApp (wenngleich eingeschränkt). Die Pläne für Verschlüsselung aller Dienste sorgen für Widerstand von Kinderrechts-NGOs, auch einige Aktionär:innen von Facebook sind dagegen.

Die EU-Kommission fürchtet, dass durch standardmäßige Verschlüsselung die Zahl der gemeldeten Kindesmissbrauchsinhalte um mehr als die Hälfte oder sogar um zwei Drittel zurückgehen könnten. „Derzeit verwendete Aufdeckungsinstrumente“ würden bei End-zu-End-verschlüsselter Kommunikation nicht funktionieren, heißt es in der Mitteilung der Kommission.

Facebook: Verschlüsselung ist „langfristiges Projekt“

Dem hält Facebook entgegen, dass es beim verschlüsselten WhatsApp bereits heute auf alternative Techniken zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch setzt. Etwa scannt WhatsApp die Profilbilder von Nutzenden, um mögliche Hinweise auf Missbrauch zu finden und zu melden. Der Dienst sperrt nach eigenen Angaben jeden Monat 25.000 Konten wegen des Teilens von vermuteten Kindesmissbrauchsinhalten.

Ein Facebook-Sprecher betont auf Anfrage von netzpolitik.org, der Konzern beschäftige weltweit ein 35.000 Köpfe starkes Sicherheitsteam, das unter anderem Meldungen wegen Kindesmissbrauch nachgehe. „Die Einführung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist ein langfristiges Projekt, der Schutz von Kindern im Internet ist für diese Bemühungen von entscheidender Bedeutung, und wir sind entschlossen, starke Sicherheitsmaßnahmen in unsere Pläne einzubauen“, sagte der Sprecher gegenüber netzpolitik.org.

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NPP 208: Zoe Beck: Netzpolitische Krimis

Netzpolitik - Sat, 29/08/2020 - 09:27


https://netzpolitik.org/wp-upload/2020/08/npp208-zoe-beck-krimis.mp3

Zoe Beck ist Schriftstellerin, Verlegerin, Übersetzerin, Synchon-Regisseurin, Aktivistin und noch einiges mehr.

Mit „Paradise City“ hat sie im Frühjahr ihren vierten Roman veröffentlicht. Alle vier haben gemeinsam, dass sie unterschiedliche netzpolitische Themen in Krimi-Form behandeln. Damit erreicht sie auch ein Massenpublikum, „Paradise City“ steht in diesem Monat auf Platz eins der Krimibestenliste von Deutschlandfunk Kultur und der FAZ.

„Paradise City“ von Zoe Beck ist im Suhrkamp-Verlag erschienen. Alle Rechte vorbehalten Suhrkamp

In dem Buch geht es um eine Zukunft, in der viele gesundheitliche Probleme durch Technologie gelöst zu sein scheinen. Thematisch passt das gerade auch gut in eine Pandemie-Zeit und die dazugehörigen Debatten, inwiefern der Staat auch in Gesundheitsbereiche eingreifen kann und darf.

Vor einigen Jahren hat sie mit Culturbooks einen „Literaturverlag für Bücher und Digitaleditionen“ mitgegründet, der interessante Schriftsteller:innen aus verschiedenen Ländern verlegt und ins Deutsche übersetzt. Bei der Initiative „Verlage gegen Rechts“ engagiert sie sich gegen gegen rassistisches, antifeministisches und homofeindliches Gedankengut auf Buchmessen.

Im Netzpolitik-Podcast gibt sie viele Einblicke in die Entstehung von Büchern, einen Zwischenstand zur Nutzung von eBooks und Hintergründe, wie der Buch-Markt funktioniert.

Ihre anderen drei Bücher „Brixton Hill“, „Schwarzblende“ und „Die Lieferantin“ möchte ich auch empfehlen. Alle sind gut und spannend.

Am 9. September gibt es im Kulturkaufhaus Dussmann in Berlin eine Buchpremiere mit Lesung, bei der ich Zoe Beck moderieren werde. Zumindest, sofern Corona nicht dazwischen kommt.

NPP ist der Podcast von netzpolitik.org. Abonniert unser Audio-Angebot, etwa bei iTunes oder Spotify, oder ladet diese Folge als MP3 herunter. Alle unsere Podcasts findet ihr unter: https://netzpolitik.org/podcast. Wie immer freuen wir uns über Kommentare, Wünsche und Verbesserungsvorschläge.

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Personenkennzahl: Alle Datenschutzbehörden halten Seehofer-Pläne für verfassungswidrig

Netzpolitik - Fri, 28/08/2020 - 17:31

Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder fordert eine verfassungskonforme Umsetzung der Registermodernisierung und stellt sich damit gegen die bisherigen Pläne des von Horst Seehofer geführten Bundesinnenministeriums, die netzpolitik.org in dieser Woche veröffentlicht hatte.

Streitpunkt ist die vom Bundesinnenministerium geplante Nutzung der Steuer-Identifikationsnummer als einheitliche Personenkennzahl. Gegen diese Nutzung sprechen gleich mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichtes, die eine solche Personenkennziffer wegen einer Zusammenführung der Daten und der damit möglichen Profilbildung deutlich ablehnen. In der Entschließung (PDF) der deutschen Datenschutzbehörden heißt es, dass die nun geplante ausgedehnte Verwendung der Steuer-ID als einheitliches Personenkennzeichen sich vollständig von ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung für rein steuerliche Sachverhalte löse, obwohl sie nur deswegen bislang als verfassungskonform angesehen werden könne.

Einheitliches Personenkennzeichen nicht verfassungskonform

Tatsächlich hatte die Bundesregierung bei der Einführung der Steuer-ID verfassungsrechtliche Bedenken mit der Begründung weggewischt, dass die Nummer nur für steuerliche Zwecke eingesetzt werden solle. Datenschützer:innen hatten damals gewarnt, dass aus der Steuer-ID eine Personenkennziffer werden könne. Genau das hat das Bundesinnenministerium jetzt wirklich vor.

Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) Ulrich Kelber lehnt die geplante Nutzung der Steuer-Identifikationsnummer als übergreifendes Ordnungsmerkmal ab, wie er in einer Stellungnahme an diesem Freitag deutlich machte. Zwar seien die Pläne für die Registermodernisierung in vielen Punkten gar nicht schlecht und durchaus im Interesse der Bürger:innen. „Doch durch die Verwendung einer einheitlichen Identifikationsnummer besteht ein erhebliches Risiko der missbräuchlichen Zusammenführung der Daten aus unterschiedlichen Registern. Damit werden viele Sicherheitsmaßnahmen entwertet.“

Kelber hofft auf eine Änderung im Gesetzentwurf, damit „uns nicht wieder erst das Bundesverfassungsgericht vor einem zu neugierigen Staat schützen muss.“

Verfassungskonforme Lösung ist möglich

Dabei ist eine grundgesetz- und datenschutzfreundlichere Lösung durchaus möglich. In Österreich wird seit Jahren ein System erfolgreich eingesetzt, das den einzelnen Behörden so genannte „bereichsspezifische“ Nummern vergibt, während sie auf die eigentliche Personenkennziffer keinen Zugriff hat. Das erschwert technisch eine Zusammenführung von Daten erheblich. Das Bundesinnenministerium lehnt dieses Modell in seinem Referentenentwurf zum Registermodernisierungsgesetz ab, weil es angeblich zu teuer und zeitaufwändig sei.

Die Datenschutzkonferenz hatte bereits 2019 darauf hingewiesen, dass die Schaffung solcher einheitlichen und verwaltungsübergreifenden Personenkennzeichen beziehungsweise Identifikatoren gefährlich sein könne, weil personenbezogene Daten in großem Maße leicht verknüpft und zu einem umfassenden Persönlichkeitsprofil vervollständigt werden können. Der aktuelle Gesetzesentwurf zur Registermodernisierung sieht vor, dass bei mehr als 50 Registern die Steuer-Identifikationsnummer als zusätzliches Merkmal erfasst wird.

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Wochenrückblick KW35: Demokratie und Wissen für alle

Netzpolitik - Fri, 28/08/2020 - 17:22

Als Wochenrückblicksautorin ist man jede Woche versucht, zu schreiben: „Wieder viel los diese Woche!“ Aber wir lassen das weg, denn eigentlich ist jede Woche viel los. Besonders, wenn von vielen Seiten und in vielen Ländern nach der Demokratie und unseren Daten gegriffen wird. Es gilt, die Entwicklungen rund um die Corona-Pandemie weiter im Blick zu halten, die Entwicklungen der Digitalisierung auf der ganzen Welt zu verfolgen und auch im eigenen Land genau hinzuschauen, wenn fragwürdige Gesetze nicht die nötige Aufmerksamkeit bekommen.

Demokratie in Gefahr

Am rechten Rand der Gesellschaft rückt man immer enger zusammen – auch online. Eine Studie zweier Kommunikationswissenschaftler hat gezeigt, dass es oft immer wieder die selben Accounts sind, die unter rechten YouTube-Videos kommentieren. Die verschiedenen Gruppierungen der rechten Szene sind also immer besser untereinander vernetzt und haben personelle Überschneidungen. Da chattet die neue Rechte mit den Verbreiter:innen von Verschwörungsmythen und Impfgegner:innen mit alten NPD-Kadern.

In dieser rechten Szene gab es in den letzten Tagen und Wochen auch eine breite Mobilisierung für die Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen, die am Wochenende in Berlin stattfinden sollte. Unser Redakteur Markus Reuter hält das Verbot für falsch, beklagt in seinem Kommentar aber auch die selektive Empörung von Bild-Zeitung und Konsorten, die nur bei rechten Demos plötzlich die Meinungs- und Versammlungsfreiheit für sich entdecken.

Der Datenskandal bei der deutschen Polizei weitet sich aus. Nun soll es auch in Hamburg und Berlin Abfragen von persönlichen Daten über Polizeicomputer gegeben haben, die mit Drohbriefen des NUS 2.0 zusammenhängen könnten. Betroffen von den Drohbriefen waren vor allem Frauen aus Politik, Medien und Justiz.

netzpolitik.org international

Weiterhin von staatlicher Gewalt bedroht ist die junge Demokratiebewegung in Belarus. Die autokratische Regierung von Präsident Lukaschenko geht nach dessen umstrittener Wiederwahl weiterhin gewaltsam gegen Demonstrant:innen und Journalist:innen vor. Nachrichtenseiten und Online-Dienste sind immer wieder von Netzblockaden betroffen.

Anders in Argentinien: Hier hat die Regierung von Präsident Fernández angekündigt, den Zugang zu Kommunikationsdiensten zum Grundrecht zu erklären. Nur so könne Bildung und Wissen für alle Bürger:innen gleichermaßen sichergestellt werden. Gleichzeitig dürfen die Anbieter die Preise ohne staatliche Genehmigung nicht mehr erhöhen.

Um Bildung und Wissen für Menschen mit weniger Privilegien ging es auch dem südafrikanischen Parlament, als es ein neues Urheberrechtsgesetz ausgearbeitet hat. Mit einer Fair-Use-Klausel sollten Inhalte leichter zur Verfügung stehen, ohne die Rechteinhaber:innen zu stark einzuschränken. Doch auf internationalen Druck unterzeichnete der Präsident das Gesetz nicht. Die Vereinigten Staaten drohten mit Sanktionen. Alte koloniale Verhaltensmuster treten deutlich zutage.

Der Kolonialismus sorgte dafür, dass Sprachen und Kulturen der kolonisierten Bevölkerung oft in Gefahr gerieten. Immer weniger Menschen sprechen Regional- und Minderheitensprachen. Um Scots, einen Dialekt des Englischen in Schottland, entspinnt sich gerade eine etwas absurde Posse. Ein einziger Autor verfasst beinahe die gesamte schottische Wikipedia, ohne Scots überhaupt zu sprechen. Weil Wikipedia-Einträge aber häufig als Datengrundlage für lernende Spracherkennungssysteme dienen, könnten diese nun fehlerhaft sein.

Regierungskommunikation

Ob das Innenministerium in seiner Kommunikation wohl auf Scots umsteigt, wenn man dort erfährt, dass Übersetzungssoftware wohl nicht funktionieren würde? So könnte das Ministerium seine Twitter-Direktnachrichten zumindest schwerer lesbar machen. Dass diese herausgegeben werden müssen, hat das Berliner Verwaltungsgericht in dieser Woche entschieden. Auch bei Direktnachrichten auf der Plattform muss das Innenministerium Transparenz gewährleisten.

Vielleicht machen sie es aber auch wie Verkehrsminister Andreas Scheuer und steigen auf ihre privaten E-Mail-Konten um. Im Zuge der Maut-Affäre behindert diese Kommunikation über alternative Kanäle die Aufklärung im Untersuchungsausschuss. Die Bundesregierung bestätigte nun aber, dass es keine Regelung gebe, die Minister:innen die dienstliche Nutzung ihrer privaten Postfächer verbiete.

Corona und alles, was dazu gehört

Sollte der Untersuchungsausschuss auch Informationen über Scheuers Restaurant-Besuche benötigen, empfiehlt es sich, mal beim Chaos Computer Club nachzufragen. Den Aktivist:innen ist es gelungen, die digitalen Corona-Kontaktlisten vieler Restaurants einzusehen, die beim Anbieter Gastronomi gespeichert waren. Die Systeme seien nur mangelhaft gesichert gewesen. Gastronomie habe die Lücke mittlerweile geschlossen, doch die Hacker:innen wissen jetzt zum Beispiel, wo Gesundheitsminister Jens Spahn essen geht.

Bei jedem Restaurantbesuch hat Spahn hoffentlich seine Corona-Warn-App dabei. Das würde ihm aber bislang auf Auslandsreisen nur wenig nutzen. Denn die deutsche App kommuniziert nicht mit der österreichischen und die französische nicht mit der ungarischen. Die EU-Kommission wollte für die meisten Apps eigentlich schon vor der Reisezeit die Interoperabilität ermöglichen. Jetzt soll es Ende September soweit sein, doch auch dann sprechen wohl nicht alle europäischen Apps die selbe Sprache.

Dieses Problem könnten Apple und Google aber bald lösen. In Updates für deren Betriebssysteme soll die Kontaktverfolgung bald auch ohne App möglich sein und somit auch länderübergreifend funktionieren. Die Apps brauchen Nutzer:innen aber weiterhin, um Infektionen offiziell zu melden.

Datenschutz ist (uns lieb und) teuer

Innenminister Seehofer plant, die Steueridentifikationsnummer zu einer übergeordneten Kennziffer jedes einzelnen Bürgers und jeder einzelnen Bürgerin auszubauen. Sämtliche Behördendaten wären dieser Nummer zugeordnet. Es gibt große verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber einer solchen Nummer, da sie eine Profilbildung ermöglicht. Wir veröffentlichen den Referentenentwurf für das Gesetz im Volltext.

Dabei gibt es datenschutzfreundlichere Alternativen, die genauso gut funktionieren. In einem Kommentar kritisiert unser Redakteur Ingo Dachwitz, dass die Bundesregierung bei der Registermodernisierung auf schnell und billig setzt, statt ein Gesetz auszuarbeiten, dass vielleicht mehr Zeit und Geld erfordert, dafür aber nicht gleich wieder in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht landen würde. Und, nicht zu vergessen, nicht unser aller Grundrechte außen vor lässt.

Über datenschutzfreundlichere Alternativen könnte sich auch die Hochschule Fresenius mal Gedanken machen. Dort überwacht ein automatisiertes System Studierende bei Online-Klausuren. Wer eine Klausur vor dem heimischen Computer ablegt, muss Einblicke in sein Zimmer geben, seine Augen-, Mund- und Kopfbewegungen auswerten lassen und weitreichenden Zugriff auf seinen Rechner gestatten. Andere Universitäten kommen gut ohne automatisierte Systeme durch die Corona-Krise, mit ein bisschen Kreativität und mehr Vertrauen in die Studierenden.

Wir wünschen euch ein schönes Wochenende!

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Was vom Tage übrig blieb: Facebook, Facebook, Palantir, von welchen Daten reden wir?

Netzpolitik - Fri, 28/08/2020 - 17:00

Facebook’s Technocratic Reports Hide Its Failures on Abuse (OneZero)
Facebook hat es sich zur (schlechten) Angewohnheit gemacht, sich für die Wirksamkeit seiner Gemeinschaftsstandards zu loben. Anfang des Monats brachte der Konzern seinen Bericht zur Durchsetzung der Community Standards für das zweite Quartal 2020 heraus, der eindrückliche Zahlen enthält. 22,5 Millionen Beiträge, die Hassrede beinhalteten, löschte das Unternehmen demnach. Das sind allerdings nur die Inhalte, die Facebooks algorithmisches System erkannt hat. Das System weist immer noch Schwächen auf, wenn es um Bildinhalte geht. Und dass Facebooks Algorithmus Teil des Problems bei der Verbreitung von Hassrede ist, verschweigt das Unternehmen in seinen Berichten geschickt.

What if Facebook Is the Real ‘Silent Majority’? (New York Times)
Wie die US-Präsidentschaftswahlen im November ausgehen, könnte auch mit Trending Topics auf Facebook zusammenhängen. Zwar beklagt Donald Trump immer wieder Zensur durch die Mächtigen im Silicon Valley. Aber er und seine Anhänger:innen schaffen es regelmäßig, konservative und rechte Inhalte zu breiter Sichtbarkeit in Mark Zuckerbergs sozialem Netzwerk zu pushen. Trump schwört sie derweil auf eine „stille Mehrheit“ ein, die ihm zur Wiederwahl verhelfen werde. Und das könnte – laut New York Times Analyse – womöglich die Masse an Facebook-Nutzer:innen sein, die sich in einer Parallelwelt von rechtspopulistischen Postings und Desinformation bewegen. Womit wir wieder bei Facebooks problematischem Algorithmus wären.

Palantir Says Faulty AI and Privacy Regulation Are a Risk to the Company (VICE)
Dass der von Geldsorgen geplagte US-Konzern Palantir seinen Börsengang plant, haben wir schon gestern an dieser Stelle berichtet. Jetzt wurden interessante Details über die Zukunftssorgen des Unternehmen bekannt: Demnach sieht Palantir neben negativer Berichterstattung vor allem mögliche Datenschutzgesetze als Risiko für seine Geschäftspraktiken. Ebenso fürchtet es um seinen Ruf, weil es sogenannte Künstliche Intelligenz einsetzt. Diese könnten ja möglicherweise auf Grundlage voreingenommener Datensätze arbeiten. Wie wäre es, einfach mal über verantwortlichen Umgang mit Daten nachzudenken?

Jeden Tag bleiben im Chat der Redaktion zahlreiche Links und Themen liegen. Doch die sind viel zu spannend, um sie nicht zu teilen. Deswegen gibt es jetzt die Rubrik „Was vom Tage übrig blieb“, in der die Redakteurinnen und Redakteure gemeinschaftlich solche Links kuratieren und sie unter der Woche um 18 Uhr samt einem aktuellen Ausblick aus unserem Büro veröffentlichen. Wir freuen uns über weitere spannende Links und kurze Beschreibungen der verlinkten Inhalte, die ihr unter dieser Sammlung ergänzen könnt.

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Zensurheberrecht: Wer sich mit Zitaten schmückt, darf nicht zu kritisch sein

Netzpolitik - Fri, 28/08/2020 - 16:33

Der Medienjournalist Holger Kreymeier hat sich in seinem YouTube-Kanal „Massengeschmack-TV“ mit einer Dokumentation auf Basis des öffentlich-rechtlichen FUNK-Formats Y-Kollektiv mit dem Titel „Infokrieg: wie die neuen Rechten die Medien ‚hacken'“ auseinandergesetzt, wie die FAZ und RND berichten. Zu diesem Zweck hat er längere Passagen des Videos übernommen und immer wieder mittels Voice-over die Inhalte der Dokumentation kommentiert und kritisiert.

Für diese Form der Kritik wurde Kreymeier jetzt von Radio Bremen – der für diese Dokumentation verantwortlichen ARD-Anstalt – abgemahnt bzw. verklagt. Laut FAZ wird dort diese Vorgehensweise wie folgt begründet:

Kreymeier habe mit seinem Video mehrfach das Zitatrecht verletzt, etwa wenn er eine Autofahrt aus der Original-Doku zeige, mit deren Darstellung er sich aber inhaltlich nicht auseinandersetze. Für die nicht vom Zitatrecht abgedeckten Inhalte, die „im gesamten Beitrag in illustrierender Weise schmückend verwendet“ würden, teilt Radio Bremen mit, hätte eine Lizenzgebühr erhoben werden können. „Auch derartige Einnahmen tragen zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei.“ Kreymeier habe es „zum wiederholten Male versäumt, vor der Verbreitung eines Videos eine Stellungnahme von Radio Bremen oder der Sendefähig GmbH einzuholen“. (Die „Sendefähig GmbH“ ist die Produktionsfirma, die hinter dem „Infokrieg“-Film steht.)

In der Tat ist es so, dass das Urheberrecht Zitate nur in sehr eingeschränktem Umfang erlaubt. Sie müssen eine sogenannte „Belegfunktion“ erfüllen und müssen vom Umfang her im Verhältnis zum eigenen Werk gering ausfallen. Wie das Beispiel des Kreymeier-Videos zeigt, ist damit aber auch automatisch eine starke stilistische Einschränkung für kritische Auseinandersetzung mit audiovisuellen Werken verbunden. Gerade bei Videokommentaren ist es fast unmöglich, die kritisierten Werke nicht zum Teil auch „schmückend“ zu verwenden.

Jetzt handelt es sich bei Kreymeier um einen professionell Medienschaffenden, dem eine Auseinandersetzung mit den Feinheiten des Zitatrechts noch eher zumutbar wäre. Für die viel häufigere Form von kritischen Repliken und Kommentaren von Privatpersonen im Netz gilt das jedoch nicht. Hier macht die restriktive Regelung bzw. gerichtliche Auslegung des Zitatrechts in Deutschland es zu einfach, das Urheberrecht als Mittel der Kritikunterdrückung zum Einsatz zu bringen (zumindest wenn Streisand nicht zu Hilfe kommt, wie auch in diesem Fall.)

Flexibleres Zitatrecht sowie Ausnahmen für Kritik und Rezension

Umso wichtiger wäre es deshalb, die anstehende Urheberrechtsreform für eine Flexibilisierung und Ausdehnung des Zitatrechts oder gleich die Aufnahme von „Kritik“ und „Rezension“ als Ausnahmetatbestand ins Urheberrecht zu schreiben. In einer kürzlich gemeinsam mit Philipp Otto und Lukas Daniel Klausner für iRights.Lab bzw. die Friedrich-Naumann-Stiftung verfassten Studie mit dem Titel „Modernes Urheberrecht“ haben wir auf genau diesen Punkt hingewiesen:

Unzureichend ist jedoch das Fehlen einer expliziten Schranke fu?r Rezension und Kritik; diese Zwecke als von der allgemeinen Zitatschranke umfasst zu betrachten, ist mit den aktuell vorgesehenen erlaubten Zitatla?ngen voraussichtlich nicht kompatibel. Hier mu?sste entweder der Umfang der erlaubten Zitation stark ausgeweitet oder alternativ eben doch eine explizite Schrankenregelung fu?r Rezension und Kritik eingefu?hrt werden (S. 40)

Das Einholen einer Stellungnahme hingegen mag zwar gute journalistische Praxis sein, Voraussetzung für eine Nutzung von Ausschnitten zum Zwecke der kritischen Auseinandersetzung ist es jedoch nicht. Insofern stellt sich die Frage, ob – gerade für eine öffentlich-rechtliche Anstalt wie Radio Bremen – die gewählte Vorgehensweise mittels Urheberrecht gegen den Beitrag vorzugehen, verhältnismäßig ist. Das Argument, auf diese Weise Einahmen „zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ erzielen zu wollen, wirkt hier doch eher vorgeschoben.

Hinweis, 28.08.2020, 21:00 Uhr: klarer formuliert, dass es sich bei der kritisierten Dokumentation um eine von Radio Bremen überarbeitete Fassung des ursprünglichen Y-Kollektiv-Beitrags gehandelt hat und Link zu einem Beitrag bei RND ergänzt.

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Update bei Google und Apple: Kontaktverfolgung soll bald auch ohne App klappen

Netzpolitik - Fri, 28/08/2020 - 13:35

Ein Softwareupdate bei iOS und Android soll künftig digitale Kontaktverfolgung von möglichen Covid-19-Infektionen auch ohne eigene App möglich machen. Apple und Google wollen laut einem Bericht des Guardian in den kommenden zwei Wochen die nächste Phase ihres Contact-Tracing-Sytems ausrollen. Nutzende können die Kontaktverfolgung dann direkt in den Einstellungen ihrer Handys aktivieren.

In der Coronakrise entwickelten viele Staaten auf der Welt eigene Apps, um Infektionsketten digital leichter nachvollziehbar zu machen. (Siehe dazu unser FAQ.) Nach Datenschutzproblemen und technischen Schwierigkeiten bei den Apps in einigen Ländern schufen Apple und Google im April einen eigene Schnittstelle für Tracing-Apps. Daraufhin stellten die meisten EU-Staaten, darunter auch Deutschland, ihre App auf den datenschutzfreundlichen de-facto-Standard der beide Firmen um.

In das Apple-Betriebssytem iOS könnte die Funktion zum Austausch von Kontaktinformationen schon ab der Version 13.7 integriert sein, wie aus einer seit vorgestern öffentlichen Beta-Version hervorgeht. Unklar ist allerdings, ob die neue Version des Betriebssystem auch tatsächlich Warnungen über Risikokontakte ausspielen kann, wie der Spiegel anmerkt. Jedenfalls möglich sein dürfte dies ab der iOS-Version 14, die im Oktober erwartet wird.

Wie die gleiche Funktion bei Android genau aussehen wird, ist noch unklar. Google reagierte zunächst nicht auf eine Anfrage von netzpolitik.org vom Freitagmorgen.

Fallen die Grenzmauern zwischen den Apps?

Bislang können die Apps der einzelnen Länder keine Kontakte austauschen: Die österreichische Stopp-Corona-App „spricht“ nicht mit der deutschen Corona-Warn-App, obwohl beide auf der Grundlage von Apple und Google beruhen. Die EU-Kommission arbeitet seit Monaten an einer technischen Lösung, die die Apps aller EU-Staaten miteinander interoperabel machen soll. Allerdings scheiterte sie an ihrem eigenen Anspruch, eine Lösung noch vor der Sommerreisezeit vorzulegen, als frühester Termin gilt nun Ende September.

Das Update von Apple und Google könnte dieses Problem aus der Welt schaffen. Ist die Option zum Austausch von anonymisierten Kontaktdaten erst standardmäßig auf allen Handys verfügbar, dürften auch Ländergrenzen keine Rolle mehr spielen. Ob das EU-Projekt der Interoperabilität von Tracing-Apps durch das Update von Apple und Google obsolet ist, konnte eine Sprecherin der EU-Kommission zunächst nicht beantworten.

App weiter nötig für Infektionsmeldungen

Tracing-Apps gänzlich ersetzen kann das Update allerdings nicht. Denn die neue Funktion ermöglicht nur die passive Teilnahme, für das Melden einer offiziell bestätigten Infektion ist weiterhin eine App notwendig. In iOS soll die Nutzende zur App-Installation aufgefordert werden, sollte sie eine Infektionswarnung erhalten, heißt es in einem älteren FAQ von Apple.

In vielen Ländern wächst die Zahl der Neuinfektionen, was auch das Bedürfnis nach besseren Möglichkeiten zur Kontaktverfolgung steigen lässt. Allerdings haben Behörden an einigen Orten ihre Hoffnungen in digitale Hilfsmittel zurückgeschraubt, da sie nach bisherigen Erfahrungen vergleichsweise wenige Infektionsmeldungen produziert. Zuletzt weckte zudem eine Studie Zweifel an der Wirksamkeit der Bluetooth-basierten Technologie in öffentlichen Verkehrsmitteln.

Die leichtere Verfügbarkeit könnte die Zahl der Nutzenden von digitaler Kontaktverfolgung erhöhen – die deutsche App wurde zwar bereits 17,5 Millionen Mal heruntergeladen, doch selbst wenn dies der Zahl der aktiven Nutzenden entspräche, wären das bloß 21 Prozent der deutschen Bevölkerung. Wissenschaftlichen Schätzungen im Vorfeld zufolge müssten allerdings wohl mindestens 60 Prozent der Einwohner:innen an der digitalen Kontaktverfolgung teilnehmen, damit diese effektiv sein kann.

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Rechtsextreme Drohbriefe: Datenmissbrauch durch Polizeibeamte wohl auch in Hamburg und Berlin

Netzpolitik - Fri, 28/08/2020 - 11:54

Auch in Berlin und Hamburg haben Polizist:innen offenbar ohne dienstlichen Grund persönliche Daten abgefragt. Das ergaben Recherchen des WDR und der Süddeutschen Zeitung. Die Datenbankabfragen hängen womöglich mit Drohschreiben an die Künstlerin ?dil Baydar und die Journalist:in Hengameh Yaghoobifarah zusammen, deren Absender sich als „NSU 2.0“ bezeichnet hatte.

Bislang waren unbefugte Datenbankzugriffe im Zusammenhang mit „NSU 2.0“-Drohbriefen lediglich bei der hessischen Polizei bekannt geworden. Dort waren vertrauliche Daten von Polizeicomputern in Frankfurt am Main und Wiesbaden abgerufen worden. Jeweils kurze Zeit später erhielten Frauen wie die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Ba?ay-Y?ld?z, die Kabarettistin ?dil Baydar oder die Vorsitzende der Linken-Fraktion im hessischen Landtag Janine Wissler anonyme Schreiben mit Gewaltdrohungen. Seit zwei Jahren geht das nun so.

Jetzt wurde bekannt, dass auch von Berliner und Hamburger Polizeicomputern persönliche Daten mutmaßlich missbräuchlich abgefragt wurden. Am 5. März 2019 sollen an einem Berliner Polizeicomputer Daten von ?dil Baydar abgerufen worden sein, ohne dass ein dienstlicher Grund erkennbar ist. Kurz darauf erreichten die Künstlerin, die in Berlin und Frankfurt lebt, Drohbriefe mit dem Absender „NSU 2.0“. Am selben Tag waren ihre Daten auch an einem Wiesbadener Polizeicomputer abgerufen worden. WDR und SZ zufolge äußerte sich die Berliner Polizei nicht zu der Datenabfrage und verwies auf die Frankfurter Staatsanwaltschaft. Diese wollte „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nichts dazu sagen.

Ermittlungen laufen noch

Im Juli diesen Jahres erhielt auch die Journalist:in Hengameh Yaghoobifarah ein solches Drohschreiben. Yaghoobifarah hatte im Juni in einer Kolumne für die Zeitung „taz“ überlegt, welche Berufe Polizist:innen ausüben könnten, wenn die Polizei abgeschafft würde. Die Autor:in kam zu dem Schluss, dass „die Mülldeponie“ eine „geeignete Option“ sei. Die Kolumne feuerte die Debatte um die Polizei in Deutschland weiter an, Polizeigewerkschaften und Innenpolitiker kritisierten den Text scharf. Von einem Polizeicomputer aus wurden in Hamburg „unmittelbar nach Erscheinen“ der Berichterstattung über die taz-Kolumne Daten von Yaghoobifarah abgefragt. Das bestätigte ein Sprecher der Hamburger Polizei gegenüber den Journalisten von WDR und Süddeutscher Zeitung. Noch werde geprüft, ob es dafür einen legitimen Grund gegeben habe.

In Berlin wird bislang nicht polizeiintern ermittelt, obwohl unbefugte Datenbankzugriffe durch Polizeibeamte dort immer wieder ein Thema sind. Zuletzt erhob die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk schwere Vorwürfe gegen die Berliner Polizei: Im Zusammenhang mit einer Morddrohung mit einem mutmaßlich rechtsextremen Hintergrund waren mehrmals Daten von Betroffenen von einem Polizeicomputer aus abgefragt worden. Die Behörde konnte die Rechtmäßigkeit der Zugriffe jedoch nicht abschließend begründen, die Datenschutzbeauftragte beklagte daraufhin mangelnde Kooperation seitens der Polizei.

2017 hatte ein Berliner Polizist Daten über linke Aktivist:innen aus Datenbanken gesammelt und ihnen daraufhin Drohbriefe geschickt. Gegen ihn erging ein Strafbefehl.

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Covid-19: CCC hackt Corona-Kontaktlisten aus beliebter Restaurantsoftware

Netzpolitik - Fri, 28/08/2020 - 10:26

Mitglieder des Chaos Computer Clubs (CCC) haben mehrere Schwachstellen bei Gastronovi entdeckt, einem Cloud-System für gastronomische Betriebe. Laut dem CCC seien in Corona-Listen und Reservierungen mehrere Millionen sensible Datensätze einsehbar gewesen. Vor der Veröffentlichung hat der CCC die Softwarefirma kontaktiert, damit diese die Lücken schließen konnte.

Herausgekommen war die Sicherheitslücke nach einem gemeinsamen Restaurantbesuch von Mitgliedern des CCC, nachdem diese sich in eine digitale „Corona-Liste“ eintragen sollten. Die vollmundigen Sicherheitsversprechen hätten den Argwohn der Hacker:innen erregt, heißt es in der Pressemitteilung.

87.000 Corona-Kontakte und fast 5 Millionen Personendatensätze

Verschiedene Schwachstellen ermöglichten den Zugriff auf insgesamt 87.313 Corona-Kontakterhebungen von 180 Restaurants, die das System aktiv nutzten. Im betroffenen System wurden jedoch nicht nur Corona-Kontaktlisten, sondern auch Reservierungen, Bestellungen und Kassenumsätze gespeichert. Gastronovi wirbt damit, monatlich über 96 Millionen Euro Umsatz von 7,7 Millionen Kund:innen sowie 600.000 Reservierungen über das System abzuwickeln. Laut der Referenzen zählen unter anderem die Berliner Filiale des Hofbräu München und das luxuriöse Carlton Hotel in St. Moritz zu den Kund:innen der Firma.

Persönliche Daten von Besucher:innen werden vor allem bei Reservierungen und Corona-Registrierungen erfasst. Hier konnte der CCC insgesamt Zugriff auf 4,8 Millionen Personendatensätze aus über 5,4 Millionen Reservierungen erlangen. Dabei reichten die dort vorliegenden Daten fast zehn Jahre zurück. Gastronovi versteht sich als „Auftragsverarbeiter“. Das heißt, dass die Verantwortung zur Löschung bei den Gastronom:innen liegen soll. Das Unternehmen bestätigte eine Sicherheitslücke in einem Blog-Eintrag auf seiner Website, eine Presseanfrage von netzpolitik.org am frühen Freitagmorgen blieb bislang unbeantwortet.

Update: Gastronovi hat netzpolitik.org am Freitagnachmittag ein Statement (PDF) geschickt.

Gastronovi gibt an, den Vorfall den Datenschutzbehörden gemeldet zu haben. Zwei Stunden, nachdem der CCC das Unternehmen über die Sicherheitslücke informiert habe, sei diese geschlossen worden. Weiter schreibt Gastronovi auf seiner Website: „Die Sicherheitslücken wurden ausschließlich von den Hackern des CCC entdeckt. Die Daten unserer Kunden sowie die Daten deren Gäste wurden daher zu keinem Zeitpunkt unsachgemäß verwendet!“ Zum Ausmaß des Datenlecks verliert die Firma indes kein Wort.

Gesundheitsminister Spahn auch in den Daten

Unter den betroffenen Personen sind auch Spitzenpolitiker, berichtet tagesschau.de. So seien unter anderem Reservierungen der Büros von Gesundheitsminister Jens Spahn und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil in den Daten aufgetaucht.

Bei der Überprüfung der Software fielen den Hacker:innen gleich mehrere Schwachstellen auf. So konnte durch eine fehlerhafte Prüfung der Zugriffsrechte administrativer Vollzugriff auf sämtliche im System gespeicherten Daten erlangt werden. Andere Fehler in einer Programmierschnittstelle (API) ermöglichten Nutzer:innen auch ohne besondere Rechte den Zugriff auf schützenswerte Daten. So konnte zum Beispiel Restaurant A auf die Corona-Daten von Restaurant B zugreifen, schreibt der CCC.

Zudem waren die Passwörter unzureichend geschützt, sie konnten mittels einfacher API-Abfrage abgerufen werden. Teilweise waren die Passwörter im Klartext verfügbar. Für neuere Accounts sei „immerhin eine zeitgemäße Hashing-Methode verwendet“ worden. Dennoch hätten in einer Stichprobe über 25 Prozent der Passwörter aus ihren Hashes geborgen werden können. Triviale Passwörter wie „1234“ deuteten auf das Fehlen einer angemessenen Passwortrichtlinie hin, etwa im Hinblick auf Mindestlänge und Komplexität.

CCC rät vom Eintragen in digitale Listen ab

„Viele digitale Corona-Listen wurden mit der heißen Nadel gestrickt und machen schwer zu haltende Datenschutzversprechen“, sagt CCC-Sprecher Linus Neumann. Etablierte Cloud-Services hätten bestehende Systeme oft nur hastig „umfunktioniert“, statt sich spezifisch mit den Sicherheits- und Datenschutzanforderungen des Contact-Tracings auseinanderzusetzen. „Die sensiblen Daten landen dann nicht etwa beim Restaurant, sondern auf einem großen Haufen irgendwo im Internet, wo sie die nächsten Jahre auf interessierte Hacker:innen warten.“

Der CCC rät davon ab, sich in digitale Listen einzutragen. Auch bei papierbasierter Erfassung empfiehlt der CCC das Einrichten einer gesonderten pseudonymen E-Mail-Adresse nur für diesen Zweck. Viele kostenlose Dienstanbieter ermöglichen zum Beispiel eine Weiterleitung von eingehenden Nachrichten an die eigentliche E-Mail-Adresse. Fünfzehn Minuten Aufwand gewährleisten Datensparsamkeit ohne das Risiko, eine wichtige Warnung zu verpassen.

Vom Gesetzgeber erwartet sich der CCC eine klare gesetzliche Regelung, um das Vertrauen der Bürger:innen nicht zu verspielen. Hierbei kritisiert der Club auch die Nutzung der Corona-Kontaktlisten aus Restaurants für polizeiliche Ermittlungen.

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Covid-19: Argentinien macht Netzzugang zum Grundrecht und friert Tarife für Mobilfunk und Internet ein

Netzpolitik - Fri, 28/08/2020 - 09:22

Der Präsident von Argentinien, Alberto Fernández, hat angekündigt, dass das Land die Tarife für Mobilfunk, Internet und Kabelfernsehen für den Rest des Jahres einfrieren wird. Seine Regierung stuft Kommunikationsdienste künftig als essenzielle öffentliche Dienstleistungen ein.

Durch den Schritt könne man den Informationszugang für alle garantieren, schrieb Fernández auf Twitter. Zukünftig dürfe es auch keine Erhöhungen der Preise mehr ohne Zustimmung des Staates geben. „Bildung, Zugang zu Wissen, Kultur und Kommunikation sind Grundrechte, die wir bewahren müssen.“ Deshalb habe seine Regierung angeordnet, dass es von nun an Pläne für eine grundlegende, universelle und obligatorische Versorgung für für den ärmsten Teil der Bevölkerung geben solle.

Mit dem Dekret 690/2020 nimmt der links-peronistische Präsident eine Maßnahme seines neoliberalen Vorgängers Macri zurück. Der Schritt bedeutet keine Verstaatlichung. In Argentinien haben sich die Preise für Kommunikationsdienste seit Dezember 2016 um 268 Prozent erhöht, deutlich mehr als die Inflation. Kritik am Dekret gab es aus der Opposition und aus der betroffenen Branche, die eine gemeinsame Erklärung verfasste.

Kommunikationspreise schneller gestiegen als Inflation

Argentinien hat wegen der Corona-Krise seit Mitte März eine der strengsten und längsten Ausgangssperren der Welt verhängt. Weil das Land auch unter einer hohen Inflation leidet und rund 40 Prozent der Bevölkerung in Armut leben, hat die Regierung die Preise von Lebensmitteln und Gütern wie Benzin, Gas und Elektrizität auf dem Stand von März bis Jahresende eingefroren. Der Schritt soll verhindern, dass die Wirtschaftskrise zu noch größeren sozialen Problemen führt.

Zuletzt hatte Argentinien trotz der weiterhin geltenden, vielerorts aber gelockerten Ausgangssperre hohe Infektionszahlen von bis zu 10.000 Neuinfektionen pro Tag. Die meisten der Infektionen konzentrieren sich auf die Hauptstadt und die dicht besiedelte Provinz Buenos Aires.

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Was vom Tage übrig blieb: Krankheit, Geldsorgen, Hass

Netzpolitik - Thu, 27/08/2020 - 17:00

Krankes System: Wie „Online-Kongresse“ Geld mit fragwürdigen Inhalten machen (Medwatch)
Es geht um Autoimmun-Erkrankungen, Krebs oder das Coronavirus: Eine dubiose Firma, die angeblich in Berlin sitzt, bewirbt im Netz allerlei fragwürdige „Online-Kongresse“ und listet für ihr Angebot offenbar hohe Geldsummen, wie Medwatch berichtet. Die vorgestellten Therapien sind zum Teil esoterisch, unter anderem schwärmt eine Hotel-Besitzerin von einer Lichttherapie. In einigen Fällen können die Tipps der scheinbaren Expert:innen sogar gesundheitliche Probleme verursachen.

What’s a Palantir? The Tech Industry’s Next Big I.P.O. (New York Times)
Palantir plant den Gang an die Börse. Der Konzern, der vor allem für seine Datenverarbeitungssoftware Gotham bekannt ist, hat in den vergangenen Jahren riesige Aufträge von Sicherheitsbehörden erhalten, auch deutsche Polizeien arbeiten damit. Dennoch hat Palantir im vergangenen Jahr etwa 500 Millionen Euro verloren, wie die New York Times schreibt. Um Geld zu sparen, wolle der Konzern sogar sein Hauptquartier verlegen.

Hate Speech: Reddit sperrt 7.000 Subreddits (eRecht 24)
Das Imageboard Reddit geht verstärkt gegen Hassrede und diskriminierende Inhalte vor. Seit Einführung neuer Moderationsregeln Ende Juni, die dafür sorgen sollen, dass alle die Plattform ohne Belästigung, Bedrohungen und Mobbing nutzen können, wurden demnach 7.000 Subreddits gesperrt.

Jeden Tag bleiben im Chat der Redaktion zahlreiche Links und Themen liegen. Doch die sind viel zu spannend, um sie nicht zu teilen. Deswegen gibt es jetzt die Rubrik „Was vom Tage übrig blieb“, in der die Redakteurinnen und Redakteure gemeinschaftlich solche Links kuratieren und sie unter der Woche um 18 Uhr samt einem aktuellen Ausblick aus unserem Büro veröffentlichen. Wir freuen uns über weitere spannende Links und kurze Beschreibungen der verlinkten Inhalte, die ihr unter dieser Sammlung ergänzen könnt.

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Netzsperren und Festnahmen: Regierung in Belarus stört Internetzugang

Netzpolitik - Thu, 27/08/2020 - 16:42

Belarus ist in Aufruhr: Seit der fragwürdigen Wiederwahl des Autokraten Alexander Lukaschenko Anfang August gehen die staatlichen Behörden gewaltsam gegen die protestierende Bevölkerung vor. Zur Strategie der Regierung gehören dabei Netzsperren und Störungen. Am Wochenende kam es erneut zu Einschränkungen des Internetzugangs im Land, dutzende Websites waren gesperrt.

Bereits am Tag der Präsidentschaftswahl kam es zu landesweiten Internetstörungen, die Bevölkerung konnte auf zahlreiche Nachrichtenseiten, soziale Netzwerke und Messenger-Dienste nicht zugreifen. 61 Stunden dauerte die Störung an, meldete Netblocks. Die NGO dokumentiert Internetausfälle und Netzsperren im Zusammenhang mit Wahlen und Großereignissen weltweit. Erst am Mittwoch nach der Wahl hatten weite Teile des Landes wieder uneingeschränkten Internetzugang. Die Störungen dürften die Organisation der Proteste durch die Opposition erschwert haben.

Am vergangenen Wochenende meldete Netblocks erneut Störungen bei mehreren Netzbetreibern in Minsk. Mehr als drei Stunden waren die Internetdienste unter anderen der Anbieter MTS und A1 eingeschränkt. Offenbar hatten Regierungsbehörden die Betreiber:innen unter dem Vorwand einer nationalen Sicherheitsmaßnahme zu den Abschaltungen aufgefordert, berichtet Netblocks.

Update: Internet service has been restored in #Minsk following a disruption impacting MTS, A1 and others described by operators as a national security measure at the request of government agencies; incident duration ~3:20h ???????? #Belarus

???? Background: https://t.co/JcBhvhgVcR pic.twitter.com/IkZEwh89MS

— NetBlocks.org (@netblocks) August 23, 2020

Netzsperren und Gewalt gegen Journalist:innen

Bereits am vergangenen Freitag beklagte der Journalist:innenverband Belarusian Association of Journalists (BAJ) „eine große Zahl“ gesperrter Websites im Land, wozu vor allem Nachrichtenseiten und Auftritte politischer Bewegungen zählten. NBC News berichtet von mehr als 20 gesperrten Websites, darunter sei auch die von Radio Liberty. Der Sender ist von der US-Regierung finanziert und sendet in Ländern mit eingeschränkter Pressefreiheit. Der Telegram-Info-Channel Nexta zählte 73 gesperrte Websites. Auf die Seite der BAJ selbst können die Belaruss:innen seit den Wahlen am 9. August nicht zugreifen, so der Verband. Zudem verhinderte die staatliche Druckerei am vergangenen Freitag die Veröffentlichung der unabhängigen Zeitungen Narodnaya Volya and Komsomolskaya Pravda. Für letztere war es bereits das dritte Mal seit der Präsidentschaftswahl. Die Druckerei begründete den Druckstopp mit technischen Problemen.

Die BAJ bezeichnete die Netzsperren als Versuch, Informationen über Proteste nach der Präsidentschaftswahl und über massive Gewalt an deren Teilnehmer:innen zu blockieren. Der Verband verurteilte die Netzblockaden als Angriff auf die Presse- und Informationsfreiheit im Land und forderte die Regierung auf, diese massiven Rechtsverletzungen zu stoppen.

Seit Beginn der Proteste gehen die Behörden hart gegen unabhängige Journalist:innen vor. 69 Pressevertreter:innen wurden seit dem 9. August nach BAJ-Angaben zumindest vorübergehend festgenommen. Sie hatten über die Proteste berichtet. 36 von ihnen waren demnach von den staatlichen Sicherheitskräften geschlagen und anderweitig verletzt worden, zwei Reporterinnen seien durch Schüsse ins Bein verwundet worden. Ein Video vom 10. August, das die oppositionelle Wochenzeitung Nasha Niva am Dienstag twitterte, zeigt ihr zufolge einen dieser Vorfälle. Darin soll zu sehen sein, wie Streitkräfte der Regierung einer Journalistin der Nasha Niva, Natalia Lubnevskaya, ins Bein schießen. Sie trug eine blaue Presseweste.

Der Europäische Journalist:innenverband EFJ veröffentlichte auf Twitter ein Foto des belarussischen Journalisten Rasl Kulevich, dem die Polizei bei seiner Festnahme beide Unterarme gebrochen hatte.

Belarusian journalist Rasl Kulevich was arrested on the evening of 11 August while covering demonstrations in Rodno for https://t.co/GK1gQRrfBk.
The police beat him and broke both his forearms.#Belarus pic.twitter.com/9uEWfISKAK

— EFJ (@EFJEUROPE) August 16, 2020

Zwar wurde die Mehrheit der Journalist:innen inzwischen wieder aus dem Gefängnis entlassen. Mehrere Journalist:innen müssen sich nun jedoch vor Gericht verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, über unerlaubte Kundgebungen berichtet zu haben. Das verbietet die belarussische Gesetzgebung laut BAJ jedoch gar nicht. Journalist:innen des Staatsfernsehen haben sich inzwischen den Protesten gegen die manipulierten Wahlergebnisse angeschlossen, manche kündigten sogar.

Grausame Zustände in Gefängnissen

Neben Journalist:innen, die von Gewalt und miserablen hygienischen Zuständen in den Gefängnissen berichten, äußerten sich auch die Aktivist:innen des Belarus Free Theatre in einem Video auf Twitter und Instagram. Die Theatergruppe agiert von Minsk und London aus und kämpft seit Jahren gegen Unterdrückung durch das Regime in Belarus. Die beiden Geschäftsführerinnen, Svetlana Sugako und Nadezhda Brodskaya, wurden am Tag der Wahl nahe eines Wahlbüros bei Protesten festgenommen. Sie berichten von überfüllten Zellen, Frauen, die zusammenbrechen, und Gewalt gegen Männer in benachbarten Zellen. Es habe an Lebensmitteln, Trinkwasser und Sauerstoff gefehlt. Nach Angaben der beiden Frauen sollen andere Gefangene Vergewaltigungen erlitten haben.

Die Künstler:innen haben eine Online-Kampagne unter dem Hashtag #StandWithBelarus gestartet und zu weltweiter Solidarität aufgerufen. Auf ihrem Twitter-Account berichten sie von den Protesten und Festnahmen in Minsk. Dort war nach Aussage der Aktivist:innen die Internetverbindung auch am Mittwoch weiterhin „unglaublich instabil“. Das bestätigt Natalia Kaliada, Co-Gründerin und Künstlerische Direktorin der Theatergruppe, gegenüber netzpolitik.org. „Wir wissen nicht, wann sich unsere Leute vor Ort bei uns melden. Manchmal können sie Informationen erst mit Verspätung an uns weitergeben.“ Das Hauptziel der Regierung sei es, Nachrichtenseiten zu sperren, damit Informationen nicht an die Bevölkerung und ins Ausland gelangen.

Ein Teil der Theatergruppe arbeitet aktuell in ländlichen Regionen von Belarus, in denen die Bevölkerung nur Zugang zu staatlichem Fernsehen und Radio hat. Die Schauspieler:innen informieren sie in Gesprächen über die aktuelle politische Lage im Land. Andere Mitglieder der Gruppe unterstützen freiwillig die Protestierenden in Minsk und schicken Informationen zur Verbreitung in den sozialen Medien nach London. Natalia Kaliada und ihr Mann, die vor zehn Jahren als politisch Verfolgte nach Großbritannien kamen, arbeiten mit politischen Behörden zusammen. Sie versuchen, die europäischen Staaten zu Sanktionen gegen die Regierung von Alexander Lukaschenko zu bewegen.

Mit ihrer Online-Kampagne hatten die Künstler:innen zumindest einen ersten Erfolg: Natalia Kaliada berichtet, dass rumänische Künstler:innen daraufhin um Unterstützung bei ihrem Präsidenten gebeten hätten. Bereits zwei Tage später sicherte demnach der rumänische Außenminister finanzielle Unterstützung für Journalist:innen und die Zivilbevölkerung in Belarus zu.

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Regionalsprache: Falsches Schottisch in Wikipedia-Einträgen

Netzpolitik - Thu, 27/08/2020 - 08:34

Wikipedia als Quelle zu hinterfragen, lernen Schüler:innen spätestens beim ersten Referat. Lehrer:innen weisen gerne darauf hin, dass hier ja jeder mitschreiben und mitbearbeiten könnte und man alle Informationen nochmal prüfen müsse.

Dass aber nicht die Inhalte eines Eintrags angezweifelt werden, sondern die Sprache, in der die Einträge verfasst sind, ist neu. Einem Reddit-User ist aufgefallen, dass ein einziger Autor große Teile der schottischen Wikipedia verfasst hat. Und das anscheinend, ohne die Sprache überhaupt zu beherrschen.

Die Bezeichnung Schottisch oder „Scots“ fasst alle regionalen Dialekte zusammen, die in Schottland – neben Englisch und Gälisch – verbreitet sind. Scots ist im Rahmen der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen [PDF] anerkannt. Die Charta soll die Sprachen kultureller Minderheiten vor dem Aussterben bewahren.

Kaum Unterschied zum Englischen

In seinem Post auf reddit schreibt der User, dass die schottische Wikipedia so legendär schlecht sei, dass Linguist:innen sie in Debatten als Argument heranziehen würden, warum Scots nicht als eigene Sprache anzusehen sei.

Tatsächlich sind viele Artikel in der schottischen Übersetzung für englischsprachige Leser:innen erstaunlich gut zu verstehen. Das liege daran, dass der Wikipedia-Autor oft wohl einfach die englischen Artikel als Grundlage genommen und einzelne Wörter anhand eines Wörterbuches ins Schottische übersetzt habe, so der Reddit-User.

Dieser Verdacht erhärtet sich beim Blick in einen Beispiel-Eintrag. Der englische und der schottische Wikipedia-Eintrag zur Fußballweltmeisterschaft der Männer unterscheiden sich im ersten Abschnitt nur geringfügig:

The FIFA World Cup, eften simply the Warld Cup, is an internaitional association fitbaa competeetion contestit bi the senior men’s naitional teams o the members o Fédération Internationale de Football Association (FIFA), the sport’s global govrening body. The championship haes been awairdit every fower years syne the inaugural tournament in 1930, except in 1942 an 1946 when it wis nae held acause o the Seicont Warld War. The current champions are France, who wan the 2018 tournament in Russia. [Schottischer Wikipedia-Eintrag]

The FIFA World Cup, often simply called the World Cup, is an international association football competition contested by the senior men’s national teams of the members of the Fédération Internationale de Football Association (FIFA), the sport’s global governing body. The championship has been awarded every four years since the inaugural tournament in 1930, except in 1942 and 1946 when it was not held because of the Second World War. The current champion is France, which won its second title at the 2018 tournament in Russia. [Englischer Wikipedia-Eintrag]

Wissen über schottische Sprache verzerrt

Einzelne Wörter sind übersetzt, doch der Satzbau und die Grammatik stimmen eins zu eins überein. In den Augen des Reddit-Users zeigt die mangelnde Berücksichtigung von Besonderheiten des Scots und die Verwendung von Worten im falschen Zusammenhang, dass es sich nicht um einen Kenner der Sprache handelt und er die Einträge wohl einfach Wort für Wort mit einem Wörterbuch übersetzt habe.

Der Reddit-User beklagt, dass Autor:innen, die die Sprache tatsächlich sprechen, mit ihren Einträgen in der Masse der falschen Einträge untergingen oder sogar so verändert werden könnten, dass ihre Sprache eher dem falschen Scots entspräche. Das öffentliche Wissen über die schottische Sprache würde also durch falsche Wikipedia-Einträge verzerrt werden.

Der Wikipedia-Autor hat in Folge des Reddit-Posts auf seinem Profil erklärt, man könne gerne alle seine Artikel und Bearbeitungen löschen. Er habe eingesehen, dass er Schaden angerichtet habe und berichtet von Drohungen und Belästigungen in sozialen Netzwerken. Der Reddit-User, der das Problem aufgedeckt hatte, rief deshalb dazu auf, den Wikipedianer in Ruhe zu lassen.

Wikipedias große Macht

Die Debatte um die Macht von Wikipedia ist nicht neu. Bislang drehte sie sich jedoch meist um das Problem der Nachwuchsgewinnung und die mangelhafte Repräsentation von Frauen . Schlagzeilen machte beispielsweise der Fall von Donna Strickland. Ein Moderator verweigerte der Nobelpreisträgerin für Physik nur Monate vor der Preisverleihung einen eigenen Wikipedia-Eintrag mit Verweis auf ihre mangelnde Relevanz. Das liege vor allem auch an der geringen Diversität in der Autorenschaft, merken Kritiker:innen immer wieder an.

Im aktuellen Fall weist eine Wissenschaftlerin in einem Twitter-Thread auf die Probleme hin, die falsche Texte für das Trainieren von Algorithmen haben können:

Almost every article on Scots Wikipedia is written by one American teenager, who does not speak Scots and is just writing English in an "accent".

If you have a multilingual language model, this fakery might be your _entire training data_ for Scotshttps://t.co/Rc1wkA0S2P

— Robyn Speer (@r_speer) August 25, 2020

Es sei nicht unüblich, dass Machine-Learning-Systeme ihre Spracherkennung für Regional- oder Minderheitensprachen ausschließlich mit Wikipedia-Einträgen trainieren. Ist die Sprache dort falsch repräsentiert, könnte sich das in die automatisierten Systeme zur Sprachverarbeitung fortsetzen. Sie könnten für diese Sprache nicht richtig funktionieren.

Gerade wenn – wie bei Scots – nicht mehr allzu viele Menschen diese Sprache sprechen, wird es immer schwieriger, die Fehler zu erkennen und zu korrigieren. Scots würde sich dem Englischen immer mehr annähern und könnte seine Eigenständigkeit verlieren.

Für die Bewahrung seltener Sprachen könnte die digitale Repräsentation eine große Rolle spielen. Wenn diese Sprachen dann aber im oftmals größten vorliegenden Datensatz, der Wikipedia, unvollständig oder schlicht falsch vorliegen, verzerren diese offen zugänglichen Informationen nicht nur das Wissen über die seltene Sprache, sondern womöglich auch die Sprache selbst, wenn Spracherkennungssoftware mit den fehlerhaften Daten trainiert.

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Urteil: Bundesinnenministerium muss auch Twitter-Direktnachrichten herausgeben

Netzpolitik - Wed, 26/08/2020 - 17:25

Das Bundesinnenministerium muss auf Anfrage auch Twitter-Direktnachrichten herausgeben. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin an diesem Mittwoch nach einer Klage von FragDenStaat entschieden. Das Urteil könnte weitreichende Folgen dafür haben, welche Informationen Behörden zugänglich machen müssen.

Hintergrund des Verfahrens war ein Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG), den der Leiter der Transparenzplattform Arne Semsrott vor mehr als zwei Jahren gestellt hatte. Darin forderte er die Behörde auf, ihm sämtliche Direktnachrichten zu schicken, die sie über ihr Twitter-Konto seit 2014 versendet und erhalten hatte.

Sind Twitter-Direktnachrichten aktenrelevant?

Das Innenministerium gab damals an, mithilfe der Direktnachrichten seien nur „flüchtige, häufig tagesaktuelle Informationen ausgetauscht“ worden. Diese würden erst dann aktenrelevant, wenn sie wegen einer „besonderen Bedeutung“ Bestandteil eines Verwaltungsvorgangs sind. Der Argumentation zufolge handelte es sich bei den Direktnachrichten nicht um amtliche Informationen. Das Ministerium, das diese Form der Kommunikation mit privaten SMS verglich, lehnte den Antrag deshalb ab.

Das Gericht hat jetzt entschieden, dass die Behörde die Direktnachrichten dennoch herausgeben muss – ab 2016, also dem Zeitpunkt, seitdem sie ihr Twitter-Konto offenbar aktiv betreibt.

Das Innenministerium wollte sich zu dem Urteil auf Anfrage von netzpolitik.org nicht äußern. Fragen – etwa, ob die Behörde in Berufung gehen werde – wolle diese erst beantworten, wenn ihr eine schriftliche Urteilsbegründung vorliege und sie diese geprüft habe, so ein Sprecher.

Zugang zu SMS und E-Mails

Semsrott spricht von einem wichtigen Grundsatzurteil. „Beamte können sich nicht mehr einfach in private Chats flüchten, um Transparenzpflichten zu umgehen“, sagte er dieser Redaktion. „Wenn das Urteil auch in den weiteren Instanzen Bestand hat, bedeutet das nicht nur mehr Transparenz in Hinblick auf Direktnachrichten von Ministeriumsaccounts, sondern womöglich auch für die SMS der Kanzlerin und E-Mails, die der Verkehrsminister von seiner privaten Adresse verschickt.“

Eine IFG-Anfrage nach der SMS-Kommunikation von Angela Merkel hatte das Bundeskanzleramt in der Vergangenheit abgelehnt. Verkehrsminister Andreas Scheuer hatte einem Bericht der WELT zufolge sein privates E-Mail-Postfach auch für dienstliche Zwecke genutzt, wie im Zusammenhang mit der Affäre um die gescheiterte Pkw-Maut bekannt wurde.

Offenbar dürfen Mitglieder der Bundesregierung ihre privaten E-Mail-Konten für dienstliche Kommunikation nutzen. Vergangene Woche antwortete das Innenministerium auf eine parlamentarische Anfrage aus den Reihen der FDP, die Geschäftsordnung der Bundesregierung enthalte hierzu keine Regelungen. Sofern es rechtskräftig wird, könnte das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts nun dazu führen, dass ein solches Vorgehen an Attraktivität verliert, bei dem Politiker:innen womöglich gezielt private Plattformen für dienstliche Zwecke nutzen.

Unter Umständen hätte die Entscheidung noch einen weiteren Effekt, der zu mehr Transparenz führen könnte. „Wenn Infos von Twitter per IFG herausgegeben werden müssen, liegt nahe, dass das Bundesarchiv sie auch langfristig archivieren müsste“, sagt Arne Semsrott. Erst am gestrigen Dienstag forderten die Grünen, sämtliche dienstliche Kommunikation von Vertreter:innen der Bundesregierung müsse archiviert werden.

Offenlegung: Der Journalist Arne Semsrott schreibt auch für netzpolitik.org.

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Grundrechte: Demonstrationsfreiheit ist nicht Geschmacksache

Netzpolitik - Wed, 26/08/2020 - 17:12

Demonstrationsverbote sind nie ein Grund zum Jubeln. Selbst wenn es sich um Demos von verantwortungslosen Wirrköpfen, Verschwörungsideologen und Nazis handelt, wie jetzt am kommenden Wochenende in Berlin.

Deswegen befremdet es, wie viele Menschen auch aus dem progressiven Lager plötzlich eine der schwersten möglichen Grundrechtseinschränkungen gutheißen. Zumal diese dann ein paar Tage später als Präzedenzfall für das nächste Verbot der eigenen Demo dienen wird.

Prominenter Aufmacher bei Bild.de am 26. August. Alle Rechte vorbehalten Screenshot bild.de

Der größte Hohn allerdings ist, dass sich nun die Bild-Zeitung zur großen Verteidigerin der Grundrechte aufschwingt – und das macht sie natürlich nur, wenn die NPD, die Identitäre Bewegung, die AfD und die ganze rechtsradikale Szene zusammen mit unsäglichen Verschwörungsideologen zu einer Demonstration aufruft. Kein Wunder, dass die Bild dafür von Compact, dem Leitmedium der Verschwörungsnazis, bejubelt wird.

Bild kämpft nur, wenn Rechte aufrufen

Das sagt viel über die Bild aus. Noch mehr sagt es über die Bild aus, wie sie sonst zu Grundrechten schweigt. Am letzten Wochenende wurde eine bundesweite Gedenkdemonstration für die von einem Nazi ermordeten Menschen in Hanau wegen Corona abgesagt. Der Bild-Zeitung war das eine neutral gehaltene Meldung im Regionalteil wert, in der die amtliche Sicht verbreitet wurde. Für die Grundrechte von Migrant:innen macht Bild sich nicht stark. Auch nicht für die Grundrechte von linken Demonstrierenden.

Wer Grundrechte verteidigen will, muss das für alle Menschen und alle politischen Farben tun. So schwer das auch persönlich fällt und so ungemütlich sich das anfühlt. Das Demonstrationsverbot gegen die Nazi-Corona-Demo ist falsch, weil die Polizei die Einhaltung der Auflagen und der Maskenpflicht auch vor Ort durchsetzen kann.

In der Pandemie muss sie das Leben und die Unversehrtheit aller schützen, die durch die Ignoranz der Demonstrationsteilnehmenden gefährdet wird. Das ist die Grundrechtsabwägung, die hier gemacht werden muss. Und die Durchsetzung der Auflagen auf der Demo ist die mildeste Form beiden Grundrechten gerecht zu werden.

„Keine Bühne geben“ ist kein Argument

Berlins Innensenator Geisel ist sich allerdings nicht zu blöd, sein Verbot mit einem Statement, dass er dieser Demonstration „keine Bühne“ geben wolle, zu schwächen. Darum darf es bei Demonstrationsverboten wirklich nie gehen, sondern um handfeste Beweise, dass die Demonstration die „Öffentliche Sicherheit“ oder die „Öffentliche Ordnung“ gefährdet. Grundrechte sind keine Geschmacksache.

Unter Geschmacksache sind allerdings auch die zahlreichen Reaktionen der „liberal-konservativen“ Journalist:innen und Chefredakteure der vermeintlichen Mitte zu werten, die sich nun mit lautem Getöse für die Versammlungsfreiheit stark machen, ausgerechnet dann, wenn die komplette rechtsradikale Szene mobilisiert, sonst aber geflissentlich die Klappe halten, die Nase über alle möglichen Proteste rümpfen oder diese bei jeder Gelegenheit diskreditieren und Aktivismus als Kampfbegriff gegen die Wissenschaft benutzen.

Wer aber selektiv Grundrechte verteidigt, der hat Grundrechte nicht verstanden und zeigt, dass er sie nur für einen Teil der Gesellschaft wichtig findet. Das ist dann nichts weiter als verlogene Klientelpolitik.

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Was vom Tage übrig blieb: Rente, Register und Rechtsverstöße

Netzpolitik - Wed, 26/08/2020 - 17:00

Mangelhafter Entwurf: Scharfe Kritik an Groko-Entwurf zum Lobbyregister von LobbyControl und abgeordnetenwatch.de (LobbyControl)
Die große Koalition will endlich ein Register für Lobby-Tätigkeiten beim Gesetzgeber auf den Weg bringen. Wobei: So richtig zu wollen scheint sie es nicht. LobbyControl und abgeordnetenwatch.de nehmen einen geleakten Gesetzentwurf vom 17. August auseinander. Offenbar soll die Bundesregierung nebst Bundesbehörden von den angedachten Transparenzmaßnahmen komplett ausgenommen werden. Zwar sollen immerhin auch Kanzleien und Anwält:innen, die im Auftrag von Klient:innen handeln, erfasst werden, nicht jedoch andere Dienstleister. „Unternehmen können ihre Lobbyaktivitäten weiterhin unter Verschluss halten, wenn sie einen Dienstleister (z.B. eine Agentur) zwischenschalten.“ Der Entwurf sei an vielen Stellen zu unspezifisch und lasse zentrale Punkte offen, kritisieren die Transparenzorganisationen.

Bundesregierung vertagt Lieferkettengesetz schon wieder (Handelsblatt)
In Deutschland fehlt ein rechtlicher Rahmen, um Unternehmen bei Menschenrechtsverstößen in ihren Lieferketten haftbar zu machen. Dies gilt für alle Produkte, von importierter Kleidung bis hin zu exportierter Spähsoftware. Die Bundesregierung wollte diese Woche Eckpunkte für ein entsprechendes Lieferkettengesetz beschließen, doch der Tagesordnungspunkt wurde zum wiederholten Male vertagt. Das verschafft Industrielobbyist:innen, denen naturgemäß auch das Handelsblatt viel Raum gibt, noch mehr Zeit, um Stimmung gegen das Vorhaben zu machen. Vor allem aber heißt es: Es wird noch dauern, bis Deutschland seiner Verantwortung für die Menschen und Staaten im globalen Süden gerecht wird, die die hier verkauften oder konsumierten Produkte unter teils unwürdigen Bedingungen herstellen. Falls das Gesetz denn überhaupt noch kommt.

Renten-Leistungen auf einen Blick: Kabinett billigt digitale Übersicht (Redaktionsnetzwerk Deutschland)
Die Bundesregierung will es Menschen leichter machen, einen Überblick über die ihnen zustehenden Rentenleistungen zu erhalten. Zu diesem Zweck soll bis 2023 ein neues Online-Portal geschaffen werden. Das hat das Bundeskabinett am heutigen Mittwoch beschlossen.

Jeden Tag bleiben im Chat der Redaktion zahlreiche Links und Themen liegen. Doch die sind viel zu spannend, um sie nicht zu teilen. Deswegen gibt es jetzt die Rubrik „Was vom Tage übrig blieb“, in der die Redakteurinnen und Redakteure gemeinschaftlich solche Links kuratieren und sie unter der Woche um 18 Uhr samt einem aktuellen Ausblick aus unserem Büro veröffentlichen. Wir freuen uns über weitere spannende Links und kurze Beschreibungen der verlinkten Inhalte, die ihr unter dieser Sammlung ergänzen könnt.

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