netz und politik
US-Präsidentschaftswahlkampf: Facebook erlaubte hunderte Werbeanzeigen mit irreführenden Aussagen über Joe Biden
Facebook setzt nicht mal seine ohnehin schwachen Regeln zur Bekämpfung irreführender politischer Werbung ordentlich durch. Zu diesem Schluss kommt ein noch nicht veröffentlichter Report der Nichtregierungsorganisation Avaaz, über den CNN berichtet. Dem Medium zufolge konnten diverse politische Lobbygruppen, sogenannte Super PACs, hunderte Werbeanzeigen mit falschen oder verzerrten Aussagen an Nutzer:innen in besonders umkämpften US-Staaten wie Florida oder Wisconsin ausspielen.
Unangefochtener Fakenews-Spitzenreiter ist der Untersuchung zufolge die Gruppe „America First Action“. Sie wird von ehemaligen Mitgliedern der Trump-Administration geführt und brachte in Facebook-Anzeigen unter anderem die Falschaussage in Umlauf, dass der demokratische Präsidentschaftsbewerber Joe Biden alle illegalen Einwanderer mit kostenloser Krankenversicherung versorgen wolle. Außerdem würden Bidens Steuerpläne Geringverdiener genau so hart treffen wie Reiche. Diese Aussagen wurden von Faktenprüfer:innen wie factcheck.org, aber auch von CNN selbst, widerlegt.
Der Bericht hebt auch ein demokratisches Super PAC hervor, das durch überzogene Aussagen in der Debatte um die staatliche US-Post und ihre Bedeutung für die Briefwahl aufgefallen sei. Die Gruppe „Stop Republicans“ habe in Facebook-Anzeigen behauptet, der US Postal Service würde bis Ende des Jahres komplett verschwinden, wenn der Kongress nicht mehr Mittel bewillige, um der Behörde durch die Corona-Krise zu helfen. Laut Faktenchecks ist dies eine deutliche Übertreibung, selbst wenn die US-Post zuletzt unter schweres politisches Störfeuer geraten ist.
Vergleichbar sind die Verfehlungen der Gruppen jedoch nur bedingt. Sowohl in absoluten Zahlen als auch im Verhältnis zur faktengetreuen Wahlwerbung überträfen die Ausgaben der pro-republikanischen Gruppe für irreführende Anzeigen die der pro-demokratischen Gruppe deutlich, heißt es im Bericht.
Online trotz FaktencheckNach dem Cambridge-Analytica-Skandal und der Einmischung der russischen Internet Research Agency im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 diskutieren die USA über Wahlmanipulation durch Online-Werbung. Von den drei für Online-Wahlwerbung besonders relevanten Unternehmen Google, Twitter und Facebook hat letztgenanntes die schwächsten Schutzmaßnahmen ergriffen. Während Google beispielsweise die Nutzung von datengetriebenem Microtargeting für politische Werbung stark einschränkte, verbannte Twitter Wahlwerbung komplett. Facebook kündigte lediglich an, in der Woche vor der Stimmabgabe keine neuen Anzeigen von politischen Akteur:innen mehr anzunehmen.
Auch gegen irreführende Werbung gehen Google und Twitter konsequenter vor. So erlaubt Facebook weiterhin Wahlwerbung mit offensichtlichen Lügen, solange diese von einem Politiker geäußert werden. Deshalb kursieren auf Facebook unter anderem von Donald Trump geschaltete Anzeigen, auf denen Joe Biden mit Bildbearbeitung älter gemacht wurde. Für unterstützende Kampagnenorganisationen wie Super PACs gilt diese Ausnahme jedoch nicht – eigentlich. Denn wie Avaaz jetzt zeigt, hat Facebook hunderte Anzeigen durchgewunken, die im besten Fall als irreführend bezeichnet werden müssen.
Besonders eklatant ist, dass Avaaz zufolge viele Anzeigen darunter sind, die bereits Faktenchecks von Facebooks journalistischen Partnern durchlaufen hatten und von diesen als irreführend eingestuft wurden. Weniger als zehn Prozent der Anzeigen seien daraufhin von Facebook gelöscht worden, den Großteil ließ das Unternehmen stehen. Online blieben selbst Anzeigen, die identisch mit solchen waren, die Facebook aufgrund der Faktenchecks bereits gelöscht hatte.
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Was vom Tage übrig blieb: Curling, CDA 230 und die smarte City
Watch a Robot AI Beat World-Class Curling Competitors (Scientific American)
Make Curling, not war. Curly, der Curling-Roboter, hat mit ständiger Weiterentwicklung durch maschinelles Lernen nun Weltklasse-Spieler im Eisschrubben und Steineschubsen besiegt. Wem das nur ein müdes Lächeln abringt, weil er Curling für ausgemachten, langweiligen Quatsch hält: Der Sachverständigenrat hält Curling für stark unterschätzt. Es ist eine der fairsten Sportarten und wo gibt es sonst die Tradition, dass das Gewinner-Team den Unterlegenen einen Drink ausgibt?
US-Regierung will Providerhaftung verschärfen (Golem)
Fairness muss man in den USA derzeit mit der Lupe suchen. Dort versucht die Trump-Administration die Gangart hochzuschalten, weil ihr die Moderationspraxis in sozialen Netzwerken nicht gefällt. Wo kommen wir denn hin, wenn offensichtliche Lügen als solche markiert werden? Zensuuuur! Weil sich die im Mai von Donald Trump erlassene „Executive Order“ erwartungsgemäß als Rohrkrepierer entpuppt hat, versucht es die Regierung nun mit einem legislativen Ansatz. Damit sollen Plattformen wie Twitter eher belangt werden können, sollten sie den Moderationsstift ansetzen. Dass das Gesetz vom Kongress beschlossen wird ist allerdings genauso wahrscheinlich wie eine olympische Goldmedaille Teilnahme in Curling des Sachverständigenrats.
Wie Berlin die Smart-City-Fördermillionen vom Bund investieren will (Tagesspiegel)
Berlin ist eine von 32 Städten, die als „Smart City“ Geld vom Bund bekommt. Der Tagesspiegel beschreibt, was die Hauptstadt damit vorhat, vom Notfall-WLAN bis zum Bürgerhaushalt.
Jeden Tag bleiben im Chat der Redaktion zahlreiche Links und Themen liegen. Doch die sind viel zu spannend, um sie nicht zu teilen. Deswegen gibt es die Rubrik „Was vom Tage übrig blieb“, wo sie unter der Woche um 18 Uhr veröffentlicht werden. Wir freuen uns über weitere spannende Links und kurze Beschreibungen der verlinkten Inhalte, die ihr unter dieser Sammlung ergänzen könnt.
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Breitbandausbau: EU-Kommission gibt grünes Licht für mehr staatliche Hilfe
Deutschland darf den Breitbandausbau künftig deutlich stärker fördern. Ab Anfang 2023 können auch Gebiete, die derzeit als verhältnismäßig gut versorgt gelten, Gigabit-Netze mit staatlicher Unterstützung errichten. Das teilte Andreas Scheuer (CSU), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, kürzlich den Bundestagsfraktionen der Regierungsparteien in einem Brief mit, den wir an dieser Stelle veröffentlichen.
Lange hatte die Bundesregierung mit der EU-Kommission verhandelt, um auch sogenannte „Graue Flecken“ mit öffentlichen Mitteln ausbauen zu können. Das sind Gebiete, in denen ein Netzbetreiber Download-Geschwindigkeiten von mindestens 30 Mbit/s liefert, darüber hinaus aber kaum Aussicht auf Gigabit-Leitungen besteht.
Schwer vermittelbare AusbaurealitätBislang schreiben EU-Regelungen vor, dass der Staat nur in „Weißen Flecken“ helfen darf, wo keine oder nur eine sehr eingeschränkte Internetversorgung besteht. Das soll verhindern, dass private Investitionen durch staatliche Zuschüsse verdrängt werden und so der freie Markt beschädigt wird.
Allerdings hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt, dass der marktgetriebene Ausbau an seine Grenzen stößt, wenn es kein oder nur wenig Geld zu verdienen gibt. Vor allem ländliche Regionen leiden darunter, zunehmend abgehängt zu werden, zum Nachteil der dort lebenden Menschen und der regionalen Wirtschaft.
Zudem löste die Förderrealität regelmäßig Kopfschütteln aus, weil in manchen Fällen ein Haushalt an ein modernes Netz angeschlossen wurde, das danebenliegende Haus aber nicht. Politisch ließ sich dies nur schwer vermitteln, lässt etwa der SPD-Digitalexperte Lars Klingbeil durchblicken.
Ganz viel Realen Irrsinn gibt es heute wieder bei extra 3 mit @KuttnerSarah! 22:50 Uhr im NDR Fernsehen und im Livestream auf https://t.co/QrB0Y2HaDj. pic.twitter.com/ZwjZBMBMfv
— extra3 (@extra3) September 16, 2020
Aufgreifschwellen fallen in zwei Schritten„Eine zeitgemäße digitale Infrastruktur ist ein Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit einer Kommune“, schreibt Scheuer an die Bundestagsabgeordneten. Die Bundesregierung habe sich den flächendeckenden Ausbau mit Gigabit-Netzen bis 2025 zum Ziel gesetzt, erinnert der Infrastrukturminister an das Versprechen, das noch aus der vergangenen Legislaturperiode stammt.
Die nun erzielte Einigung mit der EU-Kommission beruht auf einem Zwei-Stufen-Ansatz. In einem ersten Schritt sollen Gebiete förderfähig werden, wo noch keine Versorgung mit mindestens 100 Mbit/s gegeben ist. Bis das greifen kann, müssen noch einige Formalitäten geklärt werden. Das Bundesministerium rechnet damit, dies „voraussichtlich zum Jahresende“ umsetzen zu können.
Anfang 2023 soll diese letzte „Aufgreifschwelle“ von 100 Mbit/s endgültig fallen, ohne Neuverhandlungen nach sich zu ziehen. „Ab dann sind auch alle Haushalte förderfähig, für die noch keine gigabitfähigen Anschlüsse durch Telekommunikationsunternehmen in Sicht sind“, heißt es in dem Brief.
Netzbetreiber müssen neu rechnenDie angesprochenen Netzbetreiber reagieren erwartungsgemäß irritiert. Sie fürchten die neue Konkurrenz, die auf sie zukommen und ihre bisherige Kalkulation ins Schleudern bringen dürfte. Zudem erwarten sie steigende Tiefbaukosten, wenn plötzlich überall im Land vermehrt ausgebaut wird. Dies könnte „den eigenwirtschaftlichen Ausbau von Jahr zu Jahr teurer und damit unwirtschaftlicher“ machen, sagt Jürgen Grützner vom Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (Vatm) in einer Stellungnahme.
Ähnlich tönt es aus dem Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko), der viele regionale Netzbetreiber vertritt. Der Verband fordert in einer Pressemitteilung verbesserte Rahmenbedingungen für den eigenwirtschaftlichen Ausbau, beschleunigte Genehmigungsverfahren und den Abbau von Bürokratie.
Gleichzeitig habe der Staat eine Rolle zu spielen, sagt Sven Knapp, der Leiter des Breko-Hauptstadtbüros. „Natürlich ist als Ergänzung des eigenwirtschaftlichen Ausbaus eine staatliche Förderung wichtig“, sagt Knapp. Diese müsse aber dosiert eingesetzt werden und die richtigen Gebiete treffen.
„Um eine Verteilung von Fördermitteln mit der Gießkanne nach dem geplanten Wegfall der Aufgreifschwelle ab 2023 zu verhindern und die Sicherstellung des Vorrangs des marktgetriebenen Glasfaserausbaus zu gewährleisten, bedarf es eines klugen Priorisierungsmechanismus, der die Fördermittel dorthin lenkt, wo sie benötigt werden“, fordert Knapp.
Darauf pocht auch Margit Stumpp, Expertin für digitale Infrastruktur der grünen Bundestagsfraktion. „Die große Gefahr bei diesem erweiterten Förderverfahren ist der Umstand, dass Gebiete mit weniger als 30 Mbit/s aus dem Fokus geraten könnten“, warnt Stumpp. Oft handle es sich dabei um dünner besiedelte und damit für Unternehmen unwirtschaftliche Gebiete im ländlichen Raum, die abgehängt würden. Wirtschaftlich rentablere Regionen mit bereits knapp unter 100 Mbit/s, die kurzsichtig mit Kupfer ausgebaut wurden, dürften nicht erneut priorisiert werden, so Stumpp.
Mitschuld der privaten BetreiberMit einem leicht weinenden Auge begrüßt der Deutsche Landtagskreis die Einigung. „Das jetzt erreichte Ergebnis hätte man auch schon vor einem Jahr haben können“, sagt Kay Ruge von der Interessensvertretung vieler kommunaler Aufgabenträger gegenüber netzpolitik.org. Jetzt gehe es darum, nicht noch mehr Zeit zu verlieren und den Förderprozess schnell zu starten.
Seiner Auffassung nach haben „allerdings auch die privaten Telekommunikationsunternehmen ihren Anteil an der nun geplanten Regelung“, sagt Ruge. „Das Argument der Wirtschaft, ein Wegfall der Aufgreifschwelle führe zu unkontrolliertem Ausbau und Benachteiligung privater Unternehmen, war ein gefundenes Fressen für einige in der EU-Kommission“.
Update 18:30: Die Antwort von Margit Stumpp ging nach Veröffentlichung des Artikels ein und wurde nachträglich hinzugefügt.
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Terrorinhalte im Netz: EU-Parlament stellt sich gegen Uploadfilter
Die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten erwägen in bestimmten Fällen verpflichtende Uploadfilter für Online-Dienste, wenn es um die Entfernung von mutmaßlich terroristischen Inhalten im Internet geht. Das geht aus internen EU-Dokumenten hervor, die wir an dieser Stelle veröffentlichen.
Zudem bestehen sie im Unterschied zum EU-Parlament darauf, keine ausdrücklichen Ausnahmen für journalistische Berichterstattung einzuräumen. Auch Inhalte, die Behörden für „terroristisch“ halten, die aber mit erzieherischer, künstlerischer Absicht oder zu Forschungszwecken im Internet gepostet wurden, könnten vorsorglich aus dem Netz verschwinden.
Die Dokumente bilden den gegenwärtigen Verhandlungsstand zwischen Kommission, dem Rat sowie dem EU-Parlament ab. Im sogenannten Trilog feilschen sie derzeit um den endgültigen Gesetzestext einer EU-Verordnung, die terroristische Inhalte aus dem Internet entfernen soll. Kommission und Rat sind sich dabei weitgehend einig.
Strikte Vorgaben für alle Online-DiensteDer vor zwei Jahren vorgestellte Entwurf der Kommission richtet sich an alle in Europa tätigen Online-Dienste, bei denen Nutzer:innen etwa Kommentare, Videos oder Bilder hinterlassen können. Er sieht in bestimmten Fällen eine Löschfrist von einer Stunde vor, gegebenenfalls behördlich angeordnete Uploadfilter sowie grenzüberschreitende Löschanordnungen. Bei Verstößen würden Online-Diensten, darunter auch kleinen Blogs, Geldstrafen drohen.
Menschenrechtsexpert:innen und Netzaktivist:innen warnen eindringlich vor dem Vorschlag der Kommission. Aufgrund des schwammigen Terrorismus-Begriffs, der kurzen Löschfrist und potenziell verpflichtender Uploadfilter fürchten sie um das Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet. Zudem würde eine Zensurinfrastruktur entstehen, die sich für weitere Zwecke einsetzen ließe. Mögliche Erweiterungen hat unter anderem der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) bereits zur Debatte gestellt. Zwar sind automatisierte Filtersysteme bereits Alltag in weiten Teilen des Internets, bislang ist der Einsatz aber weitgehend freiwillig und nicht gesetzlich vorgeschrieben.
Parlament gegen EU-weite LöschungenZu den strittigen Punkten zählen grenzüberschreitende Löschanordnungen. Kommission wie Rat setzen sich für einen direkten Draht von Behörden europäischer Länder zu den Plattformen ein, damit das Löschen möglichst schnell geht. Für die meisten EU-Länder stelle dies sogar eine „rote Linie“ dar, heißt es im Protokoll der Ratssitzung.
Allerdings, so die Befürchtung, könnten demokratiefeindliche EU-Regierungen wie jene in Ungarn oder Polen bestimmte Akte als „terroristisch“ deklarieren und versuchen, dass Berichte darüber aus dem Internet verschwinden. Dagegen wehren sich die Verhandler aus dem EU-Parlament.
Sie wollen zum einen erreichen, dass Löschersuchen nur von unabhängigen Behörden, idealerweise Richter:innen, gestellt werden können. Zum anderen soll dies nur im eigenen Land verbindlich gelten und nicht automatisch EU-weit. Dazu wäre ein gesondertes Ersuchen an die zuständige Behörde des Landes notwendig, in dem die jeweilige Plattform angesiedelt ist.
Hart umkämpft bleiben auch die „proaktiven Maßnahmen“ – ergo Uploadfilter – des Kommissionsvorschlags. Das Parlament stutzte sie auf „spezifische Maßnahmen“ zurecht, Filterpflichten sollen außen vor bleiben. Dem scheinen sich die Verhandlungspartner anzunähern, allerdings mit einer entscheidenden Einschränkung: „Spezifische“ Maßnahmen wären demnach ausreichend, aber nur, solange sie „effektiv“ sind. Darüber würde eine Behörde entscheiden – die wiederum Uploadfilter anordnen könnte.
Öffentlich-rechtliche Sender fürchten um journalische InhalteSolche Maßnahmen sieht die europäische Internet-Wirtschaft mit „großen Bedenken“. In einem offenen Brief appellieren über ein Dutzend europäischer Wirtschaftsverbände an die EU, mit Bedacht vorzugehen. Automatisierte Inhaltemoderation könne bei großen Plattformen zwar eine wichtige Rolle spielen, verlässlich seien solche Mittel jedoch nicht. Uploadfilter verstünden den Kontext nicht und könnten legitime Inhalte, die von Journalisten oder Menschenrechtsaktivisten geteilt würden, aus dem Netz fegen.
Um journalistische Beiträge sorgt sich auch die?European Broadcasting Union (EBU). Die Interessensorganisation vertritt öffentlich-rechtliche Anstalten in Brüssel, darunter deutsche Sender wie die ARD. In einer netzpolitik.org vorliegenden Stellungnahme fordert die EBU „starke Sicherungsmaßnahmen für journalistische Inhalte“, die Einbeziehung unabhängiger Behörden in Löschaufforderungen sowie einen umfänglichen Zugang zu Beschwerdemechanismen, sollten Inhalte unzulässigerweise gelöscht werden.
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Was vom Tage übrig blieb: Doxing, Depressionen und Drillisch
Doxing-Angriffe auf Bundestag: Passwortdatenbank ermöglichte Promi-Hack (Spiegel.de)
Anlässlich der heutigen Verhandlung im Fall 0rbit blickt Max Hoppenstedt auf den Doxing-Fall zurück, bei dem ein junger Verdächtiger Daten von Hunderten Politiker:innen und Prominenten veröffentlicht haben soll. Der Fokus liegt auf der mittlerweile abgeschalteten Plattform WeLeakInfo, bei der sich 0rbit bedient haben soll. Ein weiterer Rückblick auf den Fall findet sich bei der Süddeutschen, die mit einem damals betroffenen Bundestagsabgeordneten gesprochen hat. Die Verhandlung ging dann überraschend schnell über die Bühne. Der geständige 22-Jährige wurde zu einer Jugendstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt.
Ex-content moderator sues YouTube, claims job led to PTSD symptoms and depression (CNet)
Sich Inhalte wie Enthauptungsvideos und Missbrauchsdarstellungen ansehen zu müssen, gehört zu den Aufgaben von Inhaltemoderatoren. Eine ehemalige Content-Moderatorin von YouTube wirft der Video-Plattform nun vor, sich zu wenig um die psychische Gesundheit der Beschäftigten gekümmert zu haben und verklagt das Unternehmen. Sie habe eine Posttraumatische Belastungsstörung und Depressionen entwickelt und prangert die Arbeitsbedingungen an.
Streit um Mobilfunk-Markt: Netzagentur soll schlichten (t-online.de)
Wir kennen die Bundesnetzagentur von ihren jährlichen Berichten, nicht so sehr aber in ihrer Rolle als Streitschlichterin. Nun soll sie zum ersten Mal zwischen Mobilfunkunternehmen vermitteln. Es geht um die Versteigerung der 5G-Mobilfunkfrequenzen im vergangenen Jahr. Der Neueinsteiger Drillisch will, dass seine zukünftigen Kunden auch die Netze der Konkurrenz nutzen können. Die ist davon nicht sonderlich begeistert.
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Bundesregierung verspricht: Corona-Warn-App soll besser werden
Die Bundesregierung sieht die App als Erfolg, das wurde in der Bundespressekonferenz heute ganz deutlich. Mit 18 Millionen Downloads sei sie erfolgreicher als alle anderen staatlichen App-Versuche in der Europäischen Union zusammengerechnet, rechnete Gesundheitsminister Jens Spahn vor.
Aber hier zeigt sich schon ein erstes Problem: 18 Millionen Downloads sind nicht 18 Millionen Nutzer:innen. Das weiß Jens Spahn und das weiß auch Telekom-Chef Timotheus Höttges, der später trotzdem von 18 Millionen Nutzer:innen spricht. Einige werden die App heruntergeladen haben ohne sie je zu verwenden, andere deinstallieren sie wieder. Ich selbst habe die App bereits mehrfach heruntergeladen, weil es anfangs technische Probleme gab.
Das Robert-Koch-Institut als offizieller Herausgeber der App kennt die genauen Zahlen, gibt sie aber nicht heraus. Aus dem Maschinenraum der App wissen wir jedoch, dass es rund 14 Millionen Kontaktversuche mit den Servern geben soll. Das ist eine realistischere Größenordnung.
Nur die Hälfte aller positiv getesteten warnt Kontakte via App5032 Personen haben bislang ein positives Testergebnis über die Corona-Warn-App geteilt, sagte Spahn. Die Macher:innen rätseln noch, warum das nur die Hälfte aller Personen ist, die via App über ein positives Testergebnis benachrichtigt wurden. Schließlich hätten sie nur noch auf einen Knopf drücken müssen, um ihre Kontakte zu warnen.
Der SPD-Netzpolitiker Jens Zimmermann erklärte diese Personen in einer Pressemitteilung zu „digitalen Maskenverweigerern“: „Trittbrettfahrer, die von der Vernunft ihrer Mitmenschen einseitig profitieren“. Das dürfte nicht zielführend sein. Realistischer ist, dass offensichtlich die Nutzer:innenführung der App noch ausbaufähig ist. Selbst ich fand die Einschätzung unterschiedlicher Fehlermeldungen und Risikoeinschätzungen etwas kompliziert – und ich habe mich umfassend damit beschäftigt.
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In diesem Punkt haben die Verantwortlichen Besserung versprochen. Zusammen mit Expert:innen für Benutzerführung und Psycholog:innen werde man die App sprachlich und vom Design optimieren. Die Änderungen sollen in einem der kommenden Updates folgen.
Einige Labore nach wie vor ohne AnschlussEin weiteres Problem: Erst 81 Prozent der Labore sind an das System angeschlossen, immerhin bilden sie 90 Prozent der Testkapazitäten ab. Mit der Anbindung der Labore soll die Übermittlung der Testergebnisse beschleunigt werden. Vielen Patient:innen sei auch noch nicht bewusst, dass man auf einem Formular ein Häckchen setzen müsste, um an diesem Prozess teilzunehmen. Was mit den verbleibenden Laboren passiert, die sich momentan noch weigern, an der Digitalisierung der Prozesse teilzunehmen, blieb unklar. Hier schob Höttges die Verantwortung an die Bundesregierung, die mehr Druck machen solle.
Auch die Rufe nach mehr Transparenz scheinen angekommen zu sein: Demnächst sollen mehr Daten und Zahlen zur Nutzung auf der Webseite coronawarn.app veröffentlicht werden, sofern dies aufgrund der hohen Datenschutzeinstellungen möglich sei. Auch das wäre ein Fortschritt.
Die Telekom-Hotlines haben bisher rund 1000 Anrufe (Update: pro Tag) erhalten, so Höttges zur Bilanz. Sie dauerten im Durchschnitt 20 Minuten, weil man hier auch „Seelsorge“ betreiben würde.
Apple-Nutzer:innen würden die App häufiger installieren als Android-Nutzer:innen. Hier gibt es die Vermutung, dass Apple-Produkte alleine schon wegen des Preises eher von Menschen mit höherer Bildung gekauft werden. Die Nutzung und Akzeptanz der App ist somit wahrscheinlich auch eine soziale Bildungsfrage.
Wer WhatsApp nutzt, sollte die Corona-Warn-App nicht fürchtenFür die Zukunft haben die Verantwortlichen neben der besseren Verständlichkeit weitere Features versprochen. Eine freiwillige Symptomabfrage soll dabei helfen, das eigene Infektionsrisiko besser bewerten zu können. Für den Herbst soll die App an das europäische System angeschlossen werden, das ebenfalls von SAP und Deutsche Telekom gebaut wird und über das Corona-Warn-Apps der EU-Länder miteinander kommunizieren werden.
Immer noch gäbe es viele Datenschutzbedenken gegen die Nutzung der App. In diesem Fall sehe ich die persönlich nicht. Wenn man bereits ein Smartphone hat, sammeln Google und Apple viel mehr Daten als es die Corona-Warn-App nach aktuellem Stand könnte. Wenn nur ein Teil der vielen Millionen Nutzer:innen des Datenschutz-Desasters Whatsapp parallel die Corona-Warn-App installieren würden, hätten wir die Pandemie möglicherweise besser unter Kontrolle.
Aber auch hier trifft die Bundesregierung eine Teilschuld: Zu lange wurde über falsche Wege zur App diskutiert, die viel mehr Überwachungsmöglichkeiten gebracht hätten. Und auf ein Begleitgesetz, das den Zugriff auf die kaum anfallenden Daten noch weiter beschränken würde, möchte die Große Koalition verzichten. Hier ist eine Chance vertan, weitere Bedenken abzubauen und das Vertrauen in die App und ihre Infrastruktur zu steigern.
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Initiative von Dorothee Bär: Weiterhin nichts Konkretes zur Bundeszentrale für digitale Aufklärung
Mit einer Podiumsdiskussion über Desinformation startete Anfang August die sogenannte Bundeszentrale für digitale Aufklärung. Fragen zur Initiative beantwortete das Büro von Staatsministerin Dorothee Bär damals nicht oder nur unzureichend mit dem Verweis, man befinde sich noch in der Planungsphase.
Eineinhalb Monate später ist man offensichtlich noch nicht erheblich weitergekommen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei hervor, die netzpolitik.org veröffentlicht [PDF]. Die Abgeordnete Petra Sitte fragte die Bundesregierung nach der Organisationsform, der Finanzierung und den konkreten Vorhaben der Bundeszentrale.
Finanzierung weiter unklarIn der Antwort wird deutlich, dass das Projekt nichts mit der Bundeszentrale für politische Bildung oder der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gemeinsam hat, obwohl es ebenfalls als „Bundeszentrale“ bezeichnet wird:
Bei der „Bundeszentrale für Digitale Aufklärung – eine Initiative der Staatsministerin für Digitalisierung“ handelt es sich um ein Vorhaben der Staatsministerin, nicht um eine Behörde oder feste Organisationseinheit in einer Behörde.
Auch habe Dorothee Bär das Projekt von sich aus initiiert, so die Bundesregierung. Die Einrichtung sei nicht auf einer anderen Ebene beschlossen worden. Anfang August gestand Bärs Referentin Amelie Brambring gegenüber netzpolitik.org noch ein, dass das Vorhaben maßgeblich auf einen Beschluss der CSU-Klausurtagung [PDF] aus dem Januar 2020 zurückgeht, was die Frage nach der parteipolitischen Unabhängigkeit aufwirft.
Auch in Sachen Finanzierung zeigt sich die Bundesregierung in der Kleinen Anfrage planlos. Da war Bärs Büro im August noch auskunftsfreudiger: „Für die Veranstaltungen im Rahmen der Startschussphase ist ein niedriger 5-stelliger Betrag vorgesehen.“ Dieser käme aus den Haushaltsmitteln der Staatsministerin, hieß es damals.
Für die beiden folgenden Projektphasen, den Ausbau einer „Wissensplattform“ und den „Outreach durch Digitalbotschafter“ war die Finanzierung im August noch nicht geklärt. Damals hieß es jedoch, dass diese Punkte in den Gesprächen mit den Ressorts besprochen werden sollen. Der Bundesregierung zufolge hat „eine Kick-Off-Veranstaltung im Ressortkreis zur Umsetzung der Wissensplattform“ inzwischen schon stattgefunden. Trotzdem gibt es keine neuen Informationen zur Finanzierung.
Gähnende Leere auf der WebseiteAuch der Online-Auftritt des Projekts hat seit Anfang August keinerlei Fortschritte gemacht. Es findet sich weiterhin nur eine „Vision“, eine Aufzeichnung der ersten Podiumsdiskussion über Desinformation und die Ankündigung, „in Kürze“ Informationen zur digitalen Identifizierung mit dem Online-Ausweis bereitzustellen. Von den für Sommer 2020 angekündigten Erklärvideos und Content der Veranstaltungsreihen noch keine Spur.
Der Bundesregierung zufolge gab es aber schon ein Expertengespräch zur digitalen Bildungstransformation, das sich an „Stakeholder im Bereich Schule und Bildung“ gerichtet hat. Über Inhalte des Gesprächs ist jedoch nichts bekannt, auf der Website der Staatsministerin findet sich keine Zusammenfassung oder Aufzeichnung der Veranstaltung.
Auch zur Abgrenzung des neuen Bildungsangebots von bestehenden Initiativen oder Einrichtungen kann oder will die Bundesregierung keine Auskunft geben. Für eine Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung sei man offen, hieß es Anfang August aus Bärs Büro. In der Antwort auf die Kleine Anfrage heißt es jetzt, die Initiative der Staatsministerin strebe „einen integrativen Ansatz an, in dem sie bereits bestehende Angebote und Vorhaben bündelt“.
Keine BedarfsanalyseOffen bleibt, wo Staatsministerin Bär die Notwendigkeit und den Mehrwert für ihr Projekt sieht: „Die Aufklärungsarbeit der ‚Bundeszentrale für Digitale Aufklärung – eine Initiative der Staatsministerin für Digitalisierung‘ orientiert sich an aktuellen politischen und gesellschaftlichen Fragestellungen, deren Dynamik eine einmalige Bedarfsanalyse nicht abbilden kann“, heißt es von der Bundesregierung.
Es gibt also weder eine Abgrenzung noch eine Bedarfsanalyse noch eine Zielformulierung, die über Floskeln zur Digitalisierung, die „heute nahezu alle Lebensbereiche der Bürgerinnen und Bürger“ berührt, hinausgeht. Fragestellerin Petra Sitte von der Linkspartei zeigt sich gegenüber netzpolitik.org enttäuscht:
Die „Bundeszentrale“ der Staatsministerin stellt sich als Luftblase heraus. Es gibt keine Mittel, keine Pläne und keine Absprachen. Ein solches Vorhaben als „Bundeszentrale“ zu bezeichnen, ist schon aktive Irreführung. Damit wird Digitalpolitik nur auf dem Papier simuliert. Bezeichnend ist, dass die Bundesregierung jede Antwort auf unsere Fragen nach Einordnung in die Digitalstrategie und der Wahl des Begriffs „Bundeszentrale“ schlicht verweigert.
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Neuer Vorstoß: Bundesinnenministerium plant EU-Erklärung gegen Verschlüsselung
Die Bundesregierung will im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft eine Erklärung zur Aushebelung verschlüsselter Kommunikation im Internet erreichen. Die gemeinsame Linie aller Mitgliedstaaten soll Diensteanbieter unter Druck setzen, entsprechende Lösungen einzuführen. Einem gestern von der britischen Bürgerrechtsorganisation Statewatch veröffentlichten Ratsdokument zufolge sollen die einzelnen Regierungen bis zum 7. Oktober ihre Position an eine Mailadresse des deutschen Innenministeriums schicken. Anschließend will der Ständige Ausschuss für die operative Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit (COSI) über die weitere Vorgehensweise entscheiden. Dort stimmen sich die nationalen Innenministerien untereinander ab.
„Rechtmäßiger Zugang“ zu verschlüsselten DatenIn der Mitteilung vom 18. September betont der deutsche Ratsvorsitz zwar den Nutzen von Verschlüsselung. Das für Justiz und Inneres in der EU zuständige Bundesinnenministerium fordert darin aber auch ein „angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Privatsphäre, dem Schutz des geistigen Eigentums und dem rechtmäßigen Zugang der Strafverfolgungs- und Justizbehörden“. Als Bereiche, in denen Behörden die verschlüsselten Datenströme ausgeleitet bekommen sollen, zählen Terrorismus, organisierte Kriminalität und Cyberkriminalität.
Das von deutschen Behörden vorbereitete Papier ist mit der Europäischen Kommission abgesprochen. Denn ebenfalls am 18. September haben die Kommissionsdienststellen in einem Dokument mögliche Lösungen für den Zugang zu verschlüsselten Daten beschrieben. Im Mittelpunkt standen dabei Ermittlungen zum sexuellen Missbrauch von Kindern. Die Brüsseler AutorInnen weisen darauf hin, dass es sich dabei „unter keinen Umständen“ um eine offizielle Stellungnahme handelt. Auch die Generaldirektion der Kommission hatte aber vor zwei Wochen auf 28 Seiten Möglichkeiten zur Entschlüsselung aufgezählt.
Ähnliches Vorgehen zur Herausgabe „elektronischer Beweismittel“Noch gibt es also keinen Legislativvorschlag zur Entschlüsselung. Das könnte sich nach einer Erklärung aller Mitgliedstaaten ändern. Darin könnte der Rat die Kommission auffordern, eine Richtlinie oder Verordnung auszuarbeiten, mit der Internetfirmen, wenn sie Dienste in der Europäischen Union anbieten, zur Kooperation gezwungen werden. Diese würde dann im Trilog mit Parlament und Kommission beraten. Derzeit wollen die Mitgliedstaaten eine solche Einigung im Bereich der Herausgabe „elektronischer Beweismittel“ erreichen. Ein zusätzliches Abkommen zu „e-Evidence“ verhandelt die Kommission außerdem mit den USA.
Seit der slowakischen Ratspräsidentschaft 2016 arbeiten die Innen- und JustizministerInnen der Mitgliedstaaten an der Entschlüsselung digitaler Inhalte in einem Vierstufen-Modell. Verschiedene Kommissionsdienststellen haben daraufhin einen Prozess mit verschiedenen Agenturen und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten begonnen, an dem für Deutschland das Bundeskriminalamt teilnahm. Auch der Anti-Terrorismuskoordinator hat sich mit Verfahren zur Dekryptierung befasst. Europol richtete anschließend eine „Entschlüsselungsplattform“ ein, die nationalen Behörden Hilfe beim Auslesen verschlüsselter Datenträger anbietet.
Five Eyes gegen FacebookJetzt soll die Internetindustrie verstärkt in die Verantwortung genommen werden. Damit reagieren der Rat und die Kommission auf eine Ankündigung von Facebook zur Implementierung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen in Facebook-Messengern. Dies würde etwa bei der Aufdeckung von Kindesmissbrauch „zu einem beträchtlichen Verlust an elektronischen Beweisen“ führen. Ähnlich hatte sich im Frühjahr vergangenen Jahres auch Bundesinnenminister Horst Seehofer geäußert.
In einem offenen Brief reagierten einige Monate später auch die sogenannten Five Eyes, nachdem Konzernchef Mark Zuckerberg mehr Verschlüsselung in Facebook-Chats angekündigt hatte. Die fünf Regierungen aus den USA, Kanada, Großbritannien, Australien und Neuseeland forderten das Technologieunternehmen auf, Polizeien und Geheimdiensten auf Anforderung den Zugang zu verschlüsselten Daten „in einem lesbaren und nutzbaren Format“ zu ermöglichen. Die Five Eyes sind dafür bekannt, dass ihre Auslandsgeheimdienste eng untereinander kooperieren. In dem Schreiben an Facebook nennen die Regierungen jedoch den Schutz vor Kindesmissbrauch als Argument gegen Verschlüsselung. Dieser liegt in der Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden, nicht der Geheimdienste.
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Was vom Tage übrig blieb: Antike Fernseher, alte Debatten und alltägliche Technologie
Was aus der „Killerspiel“-Debatte wurde (sueddeutsche.de)
Anlässlich der Neuauflage des Shooters Crysis blickt Matthias Kreienbrink darauf zurück, wie sich die Diskussion über Computerspiele gewandelt hat. Das „K-Wort“ begegnet einem heute zwar nicht mehr so häufig, manche Politiker:innen zeigen sich selbst als Gamer. Nachholbedarf gibt es dennoch an vielen Stellen.
Despite past denials, LAPD has used facial recognition software 30,000 times in last decade, records show (LA Times)
Entgegen früherer Aussagen nutzt die Polizei in Los Angeles Gesichtserkennungstechnologien und das auch noch ziemlich oft. 30.000 Mal seit 2009, berichtet die LA Times. Eigene Software haben die Beamten nicht, sie nutzen dafür Technik des Los Angeles County Sheriff’s Department. Ein Bericht darüber, wie alltäglich die Technologie geworden ist und wie sehr es auf die genaue Wortwahl bei Behördenanfragen ankommt.
Internet: Old TV caused village broadband outages for 18 months (BBC)
Wenn die Internetverbindung lahmt, ist schnell ein Schuldiger gefunden: Die Mitbewohnerin, die Mikrowelle oder gern auch die Telekom. Im walisischen Dorf Aberhosan ließ sich aber 1,5 Jahre nicht herausfinden, warum die Breitbandverbindung jeden Morgen um 7 Uhr zusammenbrach. Es brauchte Techniker und einen Spektrumanalysator, um den Übeltäter aufzuspüren. Einen Uralt-Fernseher, der so viele Interferenzen verursachte, dass alle darunter leiden mussten. Der wohl peinlich berührte Besitzer ahnte offenbar nichts von dem Störenfried im heimischen Wohnzimmer, gelobte aber, ihn nie wieder zu benutzen.
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Gesichtserkennung: Kampagne für ein dauerhaftes europaweites Verbot
Heute geht eine neue Kampagne europaweit an den Start, die sich dafür starkmacht, die biometrische Gesichtserkennung einzudämmen. Flankiert von einer Petition fordert die Initiative „Verbot der Gesichtserkennung in Europa!“ eben das und möchte bis Mitte 2021 eine möglichst große Zahl an Unterstützern sammeln. Dass biometrische Verfahren, die Gesichter von Menschen unbemerkt im Vorbeigehen scannen, nach und nach wie selbstverständlich daherkommen, soll mit einem Verbot verhindert werden.
Bereits vor einigen Tagen hat die französisch-italienische Initiative ihre Website gestartet und sie unterdessen in mehrere Sprachen übersetzt, darunter auch in Deutsch. Die französische Version konnte bereits mehrere tausend Unterschriften sammeln.
Gesichtserkennung als gefährliche WaffeGerade in den letzten beiden Jahren hätten in den europäischen Staaten immer mehr Projekte zur Gesichtserkennung begonnen, erklärt Paolo Cirio, Künstler und Hacktivist aus Italien und einer der Initiatoren der Kampagne, gegenüber netzpolitik.org. Bis zum Mai 2020 seien in mindestens fünfzehn Ländern Tests mit biometrischen Technologien in öffentlichen Räumen gelaufen. Neben Frankreich, Deutschland, Italien, Serbien und Großbritannien, in denen die Öffentlichkeit recht breit über diese Projekte diskutiert hatte, starteten auch Tschechien, Dänemark, Griechenland, Ungarn, die Niederlande, Polen, Rumänien, Slowenien, Schweden und die Schweiz automatisierte Gesichtserkennungstests. Zu der Zunahme an Projekten dürfte beigetragen haben, dass die biometrischen Erkennungsverfahren in den letzten Jahren deutlich bessere Ergebnisse zeigen und gleichzeitig immer mehr hochauflösende Bilder von guten Kameras zur Verfügung stehen. Auf der Kampagnenseite sind für die einzelnen Länder jeweils die biometrischen Projekte vermerkt.
Dass angesichts von diesen Entwicklungen im Februar 2020 ein zuvor von der EU-Kommission zumindest erwogenes fünfjähriges Moratorium für Gesichtserkennungstechnologien in einem White Paper (pdf) wieder kassiert wurde, sei enttäuschend. Cirio sagt, dass diese Entscheidung die jetzige Initiative ins Rollen gebracht hätte: „Diese Petition und diese Kampagne sind auch eine Antwort auf die Entscheidung gegen das Moratorium.“
Immerhin hatte sich der Europäische Datenschutzbeauftragte (European Data Protection Supervisor) nach der Veröffentlichung des Kommissionspapiers in einer Gegenposition klar für ein zumindest temporäres Verbot von automatisierter Gesichtserkennung in öffentlichen Räumen ausgesprochen.
Der Kampagnentext vergleicht Gesichtserkennungstechnologien mit gefährlicher Waffentechnik und fordert nicht nur ein Verbot in der Europäischen Union, sondern auch weltweit. Das solle über die Vereinten Nationen (UNO) geschehen. Cirio erklärt gegenüber netzpolitik.org, dass die UNO tätig werden müsse, denn Gesichtserkennung eigne sich zur massenhaften Überwachung und „verletzt die Menschenwürde“.
Auf der Kampagnenseite wird darauf hingewiesen, dass sowohl staatliche als auch private Institutionen in zunehmendem Maße auf Gesichtserkennung setzen. Als Beispiele sind Arbeitsplätze, öffentliche Räume, Schulen oder Flughäfen genannt. Oftmals werde von den Vorbeilaufenden keine Zustimmung dazu eingeholt, dass Bilder ihrer Gesichter gescannt, gerastert und verarbeitet würden. Außerdem seien die „Langzeitkonsequenzen“ der biometrischen Erkennungsverfahren noch gar nicht geklärt.
Cirio verweist gegenüber netzpolitik.org auch auf den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg, bei dem in diesem Jahr eine Beschwerde zweier russischer Aktivisten eingegangen ist. Sie wehren sich gegen die Gesichtserkennung im Vorjahr in Moskau, die sich gegen Protestierende richtete. Im März waren sie vor einem Bezirksgericht der russischen Hauptstadt gescheitert und suchen nun den Weg nach Straßburg, um auf ihre Rechte nach der Europäischen Menschenrechtskonvention zu pochen. Russland hatte die Konvention 1998 ratifiziert.
Europäische AktivistenPartner der Kampagne für ein dauerhaftes europaweites Verbot von Gesichtserkennungstechnologie sind bisher FutureEverything aus Großbritannien, wo die automatisierte Gesichtserkennung jüngst einen derben gerichtlichen Rückschlag erlitten hatte, die Share Foundation aus Serbien, außerdem mit European Digital Rights (EDRi) die Dachorganisation der digitalen Bürgerrechtler aus Brüssel sowie die französischen Digitalaktivisten von La Quadrature du Net, die aktuell auch versuchen, mit rechtlichen Schritte gegen die polizeiliche Gesichtserkennung in Frankreich und gegen die dazugehörige Biometriedatenbank mit acht Millionen gespeicherten Bildern vorzugehen.
Die Petition kann von jedermann gezeichnet werden, Unterstützer-Organisationen sind nach Angaben Cirios sehr gern gesehen.
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Pandemie-Bekämpfung: Ethikrat rät derzeit von Immunitätsausweisen ab
Der Deutsche Ethikrat hält die momentane wissenschaftliche Faktenlage für nicht ausreichend, um die Einführung von Immunitätsausweisen zuzulassen. Es sei unklar, wie lange man nach einer Erkrankung immun gegen eine erneute Infektion sei und ob überhaupt alle Menschen, die sich mit dem Corona-Virus infiziert haben, Antikörper gegen eine neue Infektion entwickeln. Diesen einstimmigen Beschluss stellte der Ethikrat heute in einer Pressekonferenz vor.
Den ethischen Überlegungen stellt das Gremium in seiner Stellungnahme [PDF] die naturwissenschaftlichen Grundlagen voran, die zum aktuellen Zeitpunkt bekannt sind. Hierbei thematisiert der Rat unter anderem unterschiedliche Arten von Immunität, die auch unterschiedlich lang anhalten können. Es sei keineswegs sicher, ob und wie lange eine überstandene Infektion mit dem Virus vor einer erneuten Erkrankung schützt.
Es sei außerdem nicht geklärt, ob Menschen, die von der Covid19- Erkrankung genesen sind, nicht weiterhin ansteckend sein könnten. Solange diese Fragen nicht beantwortet seien, könne man auch keine Antikörpertests entwickeln, die sich als Grundlage für eine Immunitätsbescheinigung eignen.
Uneinigkeit für den Fall einer besseren EvidenzAus diesen naturwissenschaftlichen Fragestellungen heraus kam der Ethikrat einstimmig zu dem Ergebnis, die Einführung von Immunitätsausweisen derzeit nicht zu empfehlen. Für den Fall, dass Wissenschaftler:innen irgendwann gesichertere Aussagen über die Fragen der Immunität treffen können, ist das Gremium aber gespalten, ob dann Immunitätsbescheinigungen eingeführt werden sollten und wie diese ausgestaltet sein könnten. In der Stellungnahme heißt es:
Die im Rat vertretenen Auffassungen lassen sich zwei Grundpositionen zuordnen: Während Position A gestufte Maßnahmen empfiehlt, die im Zusammenhang mit Immunitätsbescheinigungen nach erfolgter Genesung sinnvoll erscheinen können, hält Position B die Einführung einer Immunitätsbescheinigung in Zukunft auch dann für nicht verantwortbar, wenn eine Immunität und Nichtinfektiosität der Betroffenen zuverlässig nachweisbar wäre.
Man habe hier nicht zu einer Kompromissposition gefunden, berichtet die Vorsitzende des Ethikrates Alena Buyx. Die Hälfte der Mitglieder seien der Meinung, dass eine stufenweise, anlassbezogene und bereichsspezifische Immunitätsbescheinigung bei entsprechendem wissenschaftlichen Sachstand vertretbar sei. Ein Vertreter dieser Gruppe ist Carl Friedrich Gethmann, Sprecher der Arbeitsgruppe für die Immunitätsbescheinigung.
Mehr Freiheiten, mehr PflichtenGethmann nennt beispielsweise Altenpfleger:innen, Krankenpfleger:innen, aber auch die Polizei und die Feuerwehr als Berufe, bei denen nicht immer der nötige Mindestabstand eingehalten werden könne. Hier könne man darüber nachdenken, Immunitätsausweise auszustellen, sobald absehbar ist, wie lange eine Immunität anhält. Man müsse das Risiko gegen den Nutzen abwägen: „Ein Null-Risiko ist ein Phantasma. Grundsätzliche Freiheiten müssen so schnell wie möglich wieder freigegeben werden“, so Gethmann.
Ein solcher Ausweis könne aber nicht nur bedeuten, dass sein:e Träger:in größere Freiheiten habe. Es könne auch eine Verpflichtung mit ihm einhergehen, besonders riskante Tätigkeiten zu übernehmen, wenn man in diesem Moment immun gegen eine Neuinfektion sei. Die Ausgestaltung des Ausweises müsse der Gesetzgeber übernehmen, um die Gefahren des Missbrauchs oder der absichtlichen Ansteckung einzudämmen.
Maskenpflicht gilt auch bei ImmunitätIn der Stellungnahme des Ethikrates machen die Vertreter:innen dieser Position aber deutlich, dass ein solcher Ausweis nur in klar definierten Bereichen ausgestellt werden dürfe. Er führe beispielsweise nicht dazu, dass seine Träger:innen keine Mund-Nase-Bedeckung mehr tragen müsse oder andere Schutzmaßnahmen nicht mehr gelten, sondern darf nur die Ausübung bestimmter risikobehafteter Tätigkeiten im Beruf oder im Privaten ermöglichen, beispielsweise den Besuch von Risikopatient:innen durch Angehörige, die als immun gelten. In der Stellungnahme heißt es:
Problematische Ausgrenzungsprozesse, unter anderem durch Erschwerung von Zugangsbedingungen, sind insbesondere dann zu befürchten, wenn Immunitätsbescheinigungen flächendeckend in nahezu sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen eingesetzt würden und damit nicht immune Personen vom gesellschaftlichen Leben nahezu ausgeschlossen wären. So sollten Immunitätsbescheinigungen nicht derart eingesetzt werden, dass sie zu einer wesentlichen Benachteiligung von Personen ohne ein solches Dokument führen, sofern dies nicht überwiegend aus Gründen des Infektionsschutzes rechtfertigbar wäre
Gefahr einer Zwei-Klassen-GesellschaftDie andere Hälfte des Ethikrates hält die Einführung von Immunitätsausweisen selbst bei gesichertem medizinischen Wissen zur Immunität nicht für angebracht. „Es sprechen sowohl ethische als auch praktische Gründe dagegen“, bemerkt Judith Simon, Mitglied in der Arbeitsgruppe des Ethikrates zu Immunitätsnachweisen.
Ein Immunitätsausweis führt ihr zufolge zu einer ungleichen Verteilung von Chancen und zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Bestehende Benachteiligungen könnten sich noch verschärfen. In Berufsfeldern, in denen ohnehin schon prekäre Bedingungen herrschten, könnten sich Arbeitnehmer:innen dazu gedrängt fühlen, einen Antikörpertest durchführen zu lassen und sich bei einem positiven Ergebnis höheren Risiken auszusetzen, obwohl die Evidenz und die Dauerhaftigkeit der Immunität fraglich sei. Das sei eine unzulässige Benachteiligung der Menschen in diesen Berufsgruppen, so die Professorin für Ethik in der Informationstechnologie.
Außerdem sieht diese Fraktion des Gremiums in der aktuellen Situation keine Notwendigkeit für einen solchen Einsatz. Auch sie gestehen ein, dass es nötig ist, eine Regelung zu finden, die es beispielsweise Bewohner:innen eines Seniorenheims gestattet, Besuch zu empfangen. Hierfür sei aber kein Nachweis der Immunität nötig, sondern nur der Nachweis, dass man im Augenblick nicht infektiös sei. Diesen Nachweis können man schon jetzt mit einem herkömmlichen PCR-Test auf das Corona-Virus erbringen.
Stellungnahme gilt nicht für Immunität nach ImpfungEine weitergehende rechtliche Ausarbeitung oder staatliche Realisierung eines Immunitätsausweises sei also nicht notwendig. Die Ressourcen, die ein solches Gesetzesvorhaben binden würde, stünden nicht im Verhältnis zum vermuteten Nutzen, insbesondere da sich auch datenschutzrechtliche und arbeitsrechtliche Probleme anschließen würden.
Beide Fraktionen sind sich einig, dass die Stellungnahme nur für die Immunität nach einer Infektion gilt, nicht für eine Immunität nach einer Impfung. Es ist also fraglich, ob bis zur Einführung eines Impfstoffes, der je nach Quelle irgendwann im Laufe des nächsten Jahres erwartet wird, genug wissenschaftliche Evidenz zur Verfügung steht, um die Immunität seriös zu bewerten.
Der Ethikrat empfiehlt dem Bundesgesundheitsministerium die strengere Regulierung von Antikörpertests, die auf dem Markt verfügbar sind. Hier sehen die Mitglieder ein Gefährdungspotenzial, da die Qualität dieser Test sehr unterschiedlich sei. Wer ein positives Ergebnis bei einem unzuverlässigen Test bekommt, könnte sich unvorsichtig verhalten, obwohl nach wie vor Infektionsgefahr besteht.
Gefahr einer Profilbildung durch personenbezogene GesundheitsdatenIm Mai dieses Jahres wollte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen Immunitätsnachweis mit einem Gesetzentwurf auf den Weg bringen. Nach öffentlicher Kritik verzichtete er auf eine direkte Einführung und bat den Ethikrat um seine Stellungnahme.
Die Menschenrechtsorganisation Privacy International hatte schon im Vorfeld der Stellungnahme vor Immunitätsausweisen gewarnt. Insbesondere eine mögliche digitale Realisierung eines Immunitätsausweises sehen die Aktivist:innen kritisch, da hierbei personenbezogene Gesundheitsdaten gesammelt würden, die eine Profilbildung ermöglichen könnten. Projekte zu einer möglichen digitalen Realisierung eines Immunitätsausweises sind auch in Deutschland schon diskutiert worden.
Die Befürworter:innen eines Immunitätsausweises bei ausreichender wissenschaftlicher Evidenz im Ethikrat weisen sogar explizit darauf hin, dass ihrer Ansicht nach ein Eintrag im Impfpass oder vergleichbare Nachweise nicht ausreichen würden, da sie leicht zu fälschen seien: „Wegen des Anreizes zur Fälschung müsste es technisch hinreichend sicher gestaltet sein. Ein einfacher Eintrag in bestehende Impfpässe würde daher nicht ausreichen.“
Skepsis im JustizministeriumAuch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) äußerte sich zuletzt skeptisch zum Thema Immunitätsausweise: „Ich befürchte, dass ein solcher Ausweis, je nachdem wie er ausgestaltet wird, eher dazu führt, dass gespalten wird, weil bis jetzt noch nicht richtig klar ist, was die Aussage eines solchen Immunitätsausweise ist. […] Ich bin da sehr zurückhaltend, da sind viele grundrechtliche und datenschutzrechtliche Fragen zu klären“, sagte sie im Interview mit dem Sender ntv.
Die Stellungnahme des Ethikrates ist für die Politik nicht bindend und stellt nur eine Empfehlung aus ethischer Sicht dar. Es ist also weiterhin möglich, dass das Bundesgesundheitsministerium seinen ursprünglichen Gesetzentwurf in die Tat umsetzt, insbesondere da in der Stellungnahme des Ethikrates nicht deutlich definiert ist, wann die wissenschaftlichen Erkenntnisse die kritische Grenze überschreiten würden, nach der die Hälfte des Rates eine Einführung von Ausweisen für Teile der Bevölkerung für möglich hält.
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Open Source: Prototype Fund sucht Ideen mit gesellschaftlichem Mehrwert
Die neunte Förderrunde des Prototype Fund geht langsam zu Ende. Diesmal sucht die Initiative nach Entwickler:innen für „Public-Interest-Technologien“, Bewerbungsschluss ist der 30. September. Innovative Open-Source-Projekte können dabei bis zu 47.500 Euro an Förderung erhalten.
Die aktuelle Ausschreibung ist bewusst themenoffen gehalten. Zwar gibt der Trendreport zur 9. Förderrunde einige mögliche Richtungen vor, der Prototype Fund lässt sich jedoch gerne überraschen. In der Ankündigung heißt es:
Themenoffene Ausschreibung bedeutet, dass ihr uns, solange ihr (und wir) eure Idee in einen unserer vier Förderschwerpunkte Civic Tech, Datensicherheit, Data Literacy oder Softwareinfrastruktur einordnen können, gerne mit Prototypen-Skizzen überraschen dürft, die im Trendreport nicht explizit angesprochen wurden. Wichtig ist außerdem, dass es sich um Technologien mit Gemeinwohlbezug handelt. Public Interest Tech haben wir hier für euch definiert.
Aus den vergangenen Runden sind bereits eine Menge spannender Projekte hervorgegangen. So konnte etwa „Mietenwatch“ ein aussagekräftiges Gesamtbild des Berliner Mietmarkts zeichnen, „Independent Solar Energy Mesh System“ vom Stromnetz unabhängige Kommunikationsnetze aufbauen und die „Mulitmodale Routing Engine für Rollstuhlfahrer:innen und Fahrradlogistiker:innen“ eine Routing-Lösung entwickeln, die sich an spezielle Bedürfnisse anpassen lässt.
Der Prototype Fund ist ein gemeinsames Förderprogramm für soziale Innovationen der Open Knowledge Foundation und des Bundesministeriums fürs Bildung und Forschung.
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Transparenzbericht: Unsere Einnahmen und Ausgaben im Juli und keine Nacht am See
Die Sonne scheint. Es ist warm. Das Team verweilt an einem See irgendwo in Brandenburg und diskutiert, tanzt, lacht, schüttelt den Kopf, verdreht die Augen. Wir sind mittendrin in der großen Klausurtagung 2019. Diesen Moment des Auseinanderdriftens und Zusammenfindens konnten wir in diesem Jahr so nicht erleben, denn essenzieller Bestandteil dieser zwei Tage ist eine gemeinsame Übernachtung und der Abend des ersten Tages.
Nach langen Stunden harter Debatten und Richtungsentscheidungen, geht es in die Nacht des großen Konsens. Ole backt die leckerste Pizza, Markus Lachen hallt durch die Nacht, ein Waschbär läuft durch die Küche.
Man mag nicht glauben, wie wichtig diese eine Nacht im Jahr für uns ist, denn zwischen unseren Vorstellungen, was ist netzpolitik.org ist, was es sein soll, wo es hin soll, liegen trotz aller Gemeinsamkeiten teilweise Welten. In dieser Nacht rücken die Welten zusammen.
„Endlich können wir Dinge besprechen, ohne es zu hassen.“Die erste Klausurtagung ereignete sich im Jahr 2016 an einem See jwd. In diesem Jahr wurde netzpolitik.org signifikant größer. Was jahrelang implizit in einer kleinen Gruppe geregelt wurde, mussten wir für das neue Team beschreiben und neu diskutieren. Viele Strukturen, Funktionen, Prozesse gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. netzpolitik.org stand vor einer wichtigen Phase des Erwachsenwerdens.
Zu Wachstum gehören auch oft Wachstumsschmerzen, wir sind da keine Ausnahme. Vermeintliche Selbstverständlichkeiten bekommen Risse. Wofür genau wollen wir jeden Tag aufstehen? An welchem gemeinsamen Strang ziehen wir? Nach diesen zwei Tagen war klar, dass wir uns jedes Jahr einmal zurückziehen müssen, um vom Tagesgeschäft zum großen Ganzen zu wechseln. Wenn etwas schmerzt, löst es sich häufig nicht von allein auf. Grundlegende Fragen während des Tagesgeschäfts zu lösen, funktioniert nicht. Die Konzentration, die Zeit und der Fokus fehlen. Einer will unbedingt noch einen Text fertigschreiben, eine andere hat einen wichtigen Termin. Für die wichtigen Fragen braucht es einen angemessenen Raum. Dieses neue Format war somit ein Meilenstein, um Dinge zu besprechen, ohne es zu hassen.
„Wenn ich hier aufhöre, fange ich beim Postillon an.“Das Tagesgeschäft von netzpolitik.org ist häufig nicht so lustig. Ganz abstrakt gesprochen besteht es daraus, abzuwehren, dass Organe dieses Staates die Asymmetrie im Machtverhältnis gegenüber der Bevölkerung weiter ausbauen. In dieser ständigen zermürbenden Reaktionskette bleibt auf der Strecke, eine positive Vision dieser Welt zu entwicken. Mehr oder weniger ist das ein Problem sehr vieler progressiver Bewegungen – man ist dermaßen mit dem Abwehrkampf beschäftigt, dass versäumt wird, eine Welt zu gestalten, für die es sich zu kämpfen lohnt. Es reicht nicht, nur eine Dystopie verhindern zu wollen. Ohne Gegenentwurf bleibt die Welt im allerbesten Fall so, wie sie ist. Auf der großen Klausurtagung im Jahr 2017 sprachen wir viel über diesen Gegenentwurf – aufzuzeigen, wo es positive Entwicklungen gibt und darzustellen, wie man dahin kommt. Die Good News eben. Auch für uns.
Was meint ihr? Fehlen bei uns die guten Nachrichten?
„Der Punkt ist brillant.“2018 – das neue Logo war in Planung. Zum ersten Mal verstärkte ein ausgebildeter Grafik-Designer das Team. Die Zeit war reif für eine Neugestaltung von netzpolitik.org – obwohl berechtigte Angst geäußert wurde, dieses starke Symbol von netzpolitik.org anzufassen. Der gesamte Relaunch der Website nahm auf der Klausurtagung 2018 einen großen Raum ein und wie es eben so ist, wenn die äußere Gestalt eines Produktes verändert wird, sammelten sich auch in der Community sehr viele Meinungen. Eine unserer liebsten Anmerkungen hängt in einem Rahmen an der Bürowand und gewann Meme-Charakter bei uns.
Das Meme an unserer Wall of Fame.Eine gestalterische Veränderung bedeuet natürlich auch eine Festigung dessen, was netzpolitik.org ist. Und wir befanden uns in einer Phase, in der wir uns ein wenig vom 2000er-Blogvibe verabschiedeten und in eine klarere, aufgeräumtere Variante von uns übergingen. Verloren wir dadurch das Rotzige, Schnelle und Wilde ein Stück weit? Der Verlust des „Bloggigen am Blog“ wurde schon auf dieser Klausurtagung befürchtet. Und es gilt für uns bis heute eine Balance zu finden zwischen Texten wie Teflon und Rants wie 2004.
„Das Gute ist, dass wir drei sehr viele Meinungen haben.“Der Tag am See im Sommer 2019 fing mit dem an, was wir 2017 schon als Wunsch formuliert hatten. Wie sieht eigentlich die gute Netzpolitik aus? Am Ende hingen um die fünfzig Zettel an der Wand, die eine Welt beschreiben, in der wir gern leben möchten. Es war gar nicht so schwer. Die Ergebnisse waren unglaublich vielfältig und nahezu jeder netzpolitische Bereich wurde bedacht. Bis heute schlummern diese Aufzeichnungen in unseren Protokollen. Die Ergebnisse wurden noch nicht veröffentlicht, weil es bei jedem Punkt immer noch etwas zu schleifen gab. Habt ihr Interesse, die Ergebnisse zu sehen und zu kommentieren?
Die harte ZahlenAuch wenn der Ausflug zum See in diesem Sommer ausfallen musste, kamen wir für eine kleine Klausur zusammen, denn Videokonferenzen haben ihre Grenzen. Die Ausgaben dafür fallen im Transparenzbericht für den Juli ins Auge. Wir trafen uns in einem Berliner Club, draußen und mit Abstand, und sind zumindest froh, dass wir die Berliner Clubkultur ein bisschen unterstützen konnten. Einmal Mittagessen, Kaffee, Getränke für alle und schon sind die aufgeführten 713 Euro verbraucht. Der Gewinn eines solche Zusammenkommens ist jedoch enorm und deswegen jeden Euro wert. Wir mussten unter anderem darüber reden, wie wir in der Pandemie arbeiten wollen, wie es uns damit geht und wie wir trotz aller Distanz die Verbindung zueinander nicht verlieren.
Wie im Transparenzbericht aus dem Juni schon gespoilert, gab es auch im Juli völlig überraschend eine sehr große Einzelspende in Höhe von 14.000 Euro. Erneut traute ich meinen Augen kaum. Da ich in der Vergangenheit für diesen Spender schon einmal einen Spendenbescheinigung ausstellte, wusste ich, dass das kein Fehler sein kann. 14.000 Euro decken die monatlichen Ausgaben für fast drei volle Stellen. Mit dieser Spende allein wurde also fast ein Drittel unser Personalkosten finanziert. Für uns ist das eine große Sache. Auch unabhängig von dieser großen Einzelspende lief es sehr gut. Etwas über 50.000 Euro wurden im Juli exklusive der großen Einzelzuwendung gespendet. Wenn diese Summe regelmäßig erreicht werden könnte, wäre das ein großer Sprung für uns.
Zum Vergleich: Im Juli 2019 betrugen die Spendeneinnahmen 10.000 Euro weniger. Ein Anstieg von 25 Prozent ist großartig. Im August 2020 wird dieser Anstieg nicht zu halten sein, aber die Tendenz stimmt uns sehr freudig. Im siebten Monat des Jahres wurden 51 Prozent des jährlichen Spendenziels erreicht. Tatsächlich wurden 2019 schon 55 Prozent erreicht, aber – wie schon in den vorangegangen Transparenzberichten erwähnt – ist das in Anbetracht unserer Erhöhung des Spendenziels und einer Pandemie nach wie vor überwältigend.
Bei den Ausgaben gab es neben den üblichen Kosten vor allem einen Posten, der ins Gewicht fällt: die Fremdleistungen. Hier verbirgt sich eine Jahresrechnung unserer Steuerberatung, inklusive Steuerklärung.
Einnahmen und Ausgaben im Juli 2020 CC-BY-NC-SA 4.0Wir achten sehr darauf, die monatlichen Ausgaben stabil zu halten, um dann flexibel zu sein, wenn es notwendig ist. Und natürlich auch, um Planungssicherheit für alle Beteiligten herzustellen. Das betrifft alle Personen, die bei uns arbeiten, aber natürlich auch unsere Spender:innen. Wir wollen verlässlich sein. Gerade in einer Zeit der großen Zäsuren.
Spendenentwicklung bis Juli 2020 CC-BY-NC-SA 4.0Alles in allem war der Juli ein sehr guter Monat. Und auch wenn alles etwas anstrengender ist als sonst, motiviert uns die verlässliche Unterstützung ungemein. Vielen Dank dafür!
Danke für Eure Unterstützung!Wenn ihr uns unterstützen wollt, findet ihr hier alle Möglichkeiten. Am besten ist ein Dauerauftrag. Er ermöglicht uns, langfristig zu planen:
Inhaber: netzpolitik.org e. V.
IBAN: DE62430609671149278400
BIC: GENODEM1GLS
Zweck: Spende netzpolitik.org
Wir freuen uns auch über Spenden via Bitcoin oder Paypal.
Wir sind glücklich, die besten Unterstützerinnen und Unterstützer zu haben.
Unseren Transparenzbericht aus dem Juni findet ihr hier.
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Was vom Tage übrig blieb: Verdreht, verpasst, verurteilt
Google corrects unfortunate ‘Stalkerware’ typo allowing partner-tracking apps (The Verge)
Eigentlich hatte Google angekündigt, bis zum 16.September alle Apps aus dem Play Store zu verbannen, die explizit dazu dienen, andere ohne ihr Wissen auszuspionieren. Leider hat jemand beim Korrekturlesen der neuen Policy nicht aufgepasst. Durch einen Grammatikdreher stand dort: Apps zur Überwachung der eigenen Kinder sind *nicht* erlaubt, solche zur Überwachung von Partner:innen ohne deren Zustimmung *sind erlaubt*. In der neuen Version hat Google den Dreher korrigiert, Entwickler:innen haben jetzt bis zum 1. Oktober Zeit, ihre Apps an die neuen Richtlinien anzupassen. Warum auch die richtig gestellte Variante, nach der Kinder-Tracking-Apps erlaubt sind, problematisch ist, hatten wir jüngst berichtet.
„Berlin-Tag“ der Bildungsverwaltung scheitert an Apple (RBB)
Die Berufs- und Bildungsmesse „Berlin-Tag“ sollte in diesem Jahr Pandemie-bedingt digital stattfinden. Dort können sich Interessierte über Ausbildungs- und Einstiegsmöglichkeiten im Berliner Bildungsbereich informieren. Stattgefunden hat die Veranstaltung, nur Apple-Nutzer:innen hatten ein Problem, die Einbindung der App funktionierte nicht. Laut dpa betraf das immerhin 14 Prozent Interessierte, die nicht an Vorträgen und Gesprächen teilhaben konnten.
Wie Ermittler ein komplexes Cyber-Betrugssystem aufdeckten (Tagesspiegel)
Der Berliner Staatsanwalt Aljoscha Leder gibt dem Tagesspiegel Einblick in lange Ermittlungen zu einem spannenden Fall von Onlinebetrug. Viele der Ermittlungsschritte fanden im Analogen statt, auch wenn die Taten zum großen Teil online stattfanden. Eine Geschichte über Nachsendeaufträge, Mietwagen und eine Suppendose mit 69.000 Euro.
Jeden Tag bleiben im Chat der Redaktion zahlreiche Links und Themen liegen. Doch die sind viel zu spannend, um sie nicht zu teilen. Deswegen gibt es die Rubrik „Was vom Tage übrig blieb“, in der die Redakteur:innen gemeinschaftlich solche Links kuratieren und sie unter der Woche um 18 Uhr samt einem aktuellen Ausblick aus unserem Büro veröffentlichen. Wir freuen uns über weitere spannende Links und kurze Beschreibungen der verlinkten Inhalte, die ihr unter dieser Sammlung ergänzen könnt.
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Automatisierte Diskriminierung: Twitter prüft Rassismus in der Bildervorschau
Twitter hat angekündigt, sich mit rassistischen Verzerrungen in seinem Vorschau-Algorithmus zu beschäftigen, nachdem mehrere Nutzer:innen entdeckt hatten, dass das System die Gesichter von weißen Menschen bevorzugt und Schwarze Menschen ausblendet.
Einem Nutzer war zufällig aufgefallen, dass die Twitter-App auf Bildern mit einer weißen und einer Schwarzen Person nur die weiße Person in der Vorschau zeigt. Daraufhin haben weitere Nutzer:innen das Problem mit ihren Experimenten bestätigen können.
Im Kern geht es um eine Technologie zur automatisierten Vorschau von Bildern, dem so genannten Auto-Cropping, die Twitter bereits seit 2017 einsetzt. Postet jemand ein Foto, soll ein möglichst sinnvoller Ausschnitt für die Vorschau gewählt werden. In den Tests, die Nutzer:innen jetzt auf Twitter teilten, setzte die Vorschau fast ausschließlich weiße Menschen in den Fokus.
Keine Verzerrung im TestlaufTwitter sagte, dass das Modell vor dem Einsatz getestet wurde und man dabei keine rassistischen oder sexistischen Diskriminierungseffekte festgestellt hat. Es sei aber klar, dass weitere Untersuchungen folgen müssten. Twitter kündigte an, die Ergebnisse der internen Untersuchungen zu teilen und den Code zu öffnen, damit unabhängige Forscher:innen die Effekte überprüfen können.
Ein solches Experiment eines externen Experten für maschinelles Lernen ist bereits in Gang. Twitters CTO Parag Agrawal teilte den Hinweis und schrieb, er freue sich über den „öffentlichen, offenen und rigorosen Test“.
This is a very important question. To address it, we did analysis on our model when we shipped it, but needs continuous improvement.
Love this public, open, and rigorous test — and eager to learn from this. https://t.co/E8Y71qSLXa
— Parag Agrawal (@paraga) September 20, 2020
Magische Pferde und schlechte PrognosenFür das Auto-Cropping setzte Twitter zunächst auf Gesichtserkennung. Doch das führte zu Problemen bei Bildern von Tieren oder Gegenständen, die nicht richtig in den Fokus der Bildvorschauen gesetzt wurden, wie das Entwicklungsteam in einem Blogbeitrag beschreibt.
Deswegen ging Twitter dazu über, das System auf Regionen von besonderer Aufmerksamkeit zu optimieren: Wohin schaut das Auge auf einem Bild zuerst und am längsten? Die Daten werden mit Eyetrackern erhoben und mit ihrer Hilfe lassen sich Algorithmen trainieren, die dann eine Vorhersage dazu treffen, was Menschen in einem Bild womöglich gerne sehen wollen.
Entwickelt hat die Technologie nicht Twitter selbst, sondern das Londoner Machine-Learning-Startup Magic Pony. Twitter kaufte die Firma 2016, der ehemalige Gründer Zehan Wang arbeitet heute in der Forschungsabteilung von Twitter an Machine Learning.
Auch er schrieb am Wochenende: „Es gibt viele Fragen, und wir werden Zeit brauchen um sie anzuschauen. Weitere Details werden geteilt nachdem unsere internen Teams die Möglichkeit hatten sich das anzuschauen.“
There are many questions that will need time to dig into. More details will be shared after internal teams have had a chance to look at it. We previously published a blog on the algorithm in early 2018 https://t.co/TIu2L0fSyY
— Zehan Wang (@ZehanWang) September 21, 2020
Algorithmen verstärken UngerechtigkeitDie Diskussion um rassistische Verzerrungseffekte und Diskriminierung durch algorithmische Entscheidungen läuft bereits seit Jahren. Zuletzt kochte sie im Zuge der Proteste gegen rassistische Polizeigewalt in den USA besonders hoch.
Vergangenes Jahr gelangte eine Studie der US-Behörde National Institute of Standards and Technology (NIST) zum Ergebnis, dass Gesichtserkennungs-Algorithmen die Gesichter von Schwarzen oder asiatischen Menschen wesentlich unzuverlässiger erkennen als diejenigen von weißen Menschen. Forscher:innen und Menschenrechtsorganisationen kritisieren seit Jahren, dass diese Effekte die bereits existierende Diskriminierung von BIPoC noch verstärken. Mehrere große Anbieter von Gesichtserkennung wie IBM und Microsoft hatten deswegen unter dem öffentlichen Druck beschlossen, ihre Technologien vorerst nicht mehr an US-Polizeibehörden zu verkaufen.
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Exporte: Amnesty International fordert scharfe Kontrolle von Überwachungstechnologien
Der Verkauf von Technologie, die sich für Überwachung und Repression einsetzen lässt, ist ein einträgliches Geschäft. In Belarus half etwa die US-Firma Sandvine dabei mit, Netzsperren umzusetzen, die israelische NSO Group verkauft regelmäßig Hacking-Software an Saudi Arabien und andere Diktaturen.
An diesem Kuchen wollen auch europäische Unternehmen mitnaschen – selbst wenn die Technologie für eklatante Menschenrechtsverletzungen eingesetzt wird. An Absichtserklärungen europäischer Politiker:innen, dem einen Riegel vorzuschieben, mangelt es zwar nicht. Bis auf Weiteres verkaufen aber viele Unternehmen ihre Produkte in alle Welt, je nach Technik oder Land auch ohne jegliche staatliche Exportkontrolle.
Videoüberwachung aus europäischer HandEin neuer Bericht der Menschenrechts-NGO Amnesty International weist nun am Beispiel von drei Unternehmen aus Frankreich, Schweden und den Niederlanden nach, wie deren Produkte für Unterdrückung in China eingesetzt werden. Die dortige Repression zielt generell auf die gesamte Bevölkerung ab, in den letzten Jahren jedoch besonders auf die in der westlichen Region Xinjiang lebende Minderheit der muslimischen Uiguren.
Dem Bericht zufolge haben die Unternehmen eine breite Palette an Überwachungsprodukten nach China exportiert – vor allem aber Produkte für Gesichtserkennung, die keinerlei Exportbeschränkungen unterliegen. Die Technik wird in China weiträumig eingesetzt, von Polizeiarbeit bis hin zu Klopapierdiebstahl.
So habe die französische Firma Idemia (vormals Morpho) der Polizei in Shanghai solche Technik geliefert, das schwedische „Axis Communications“ Videokameras für die Überwachungsprojekte „Skynet“ und „Sharp Eyes“ verkauft und das aus den Niederlanden stammende „Noldus Information Technology“ unter anderem das Ministerium für Öffentliche Sicherheit mit Software ausgestattet, mit dem sich Emotionen analysieren lassen.
„Wir sind sehr besorgt, dass Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten zwar in Lippenbekenntnissen die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang verurteilen, gleichzeitig aber Reformvorschläge blockieren“, sagt Lena Rohrbach, Expertin für Wirtschaft und Technologie bei Amnesty International in Deutschland, in einer Pressemitteilung. „Damit können in Europa ansässige Firmen weiterhin unkontrolliert genau die Technologie liefern, die für diese Menschenrechtsverletzungen benötigt wird.“
Gesetzlicher Vorstoß stocktSeit gut vier Jahren liegt bereits ein Vorschlag der EU-Kommission auf dem Tisch, der den Export solcher Spähprogramme europaweit stärker reglementieren soll. Doch die EU-Länder blockierten den Gesetzentwurf hartnäckig. Erst im Vorjahr konnte sich der EU-Rat zu einer gemeinsamen Position durchringen. Diese fiel jedoch enttäuschend aus: In vielen Punkten schwächt sie die Vorschläge der Kommission ab. Zahlreiche „Dual-Use-Güter“, die sich friedlich wie feindlich einsetzen lassen, sollen weiterhin praktisch unreguliert bleiben.
Am morgigen Dienstag starten nun, nach einer längeren Verzögerung, die Verhandlungen mit dem EU-Parlament über die Dual-Use-Verordnung. Angesichts des bisherigen Tauziehens steht zu erwarten, dass die Verhandlungen recht zäh ablaufen werden – obwohl die Forderungen, die Amnesty an die Verhandler stellt, durchwegs moderat sind.
So fordert die NGO die EU auf, alle Überwachungstechnologien in die Exportregulierung aufzunehmen, also auch Videoüberwachung und Gesichtserkennung. Zudem solle sichergestellt werden, dass alle Unternehmen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten einhalten, bevor sie einen Exportantrag stellen. Darunter falle etwa eine menschenrechtliche Risikoabschätzung möglicher Verkäufe. EU-Regierungen wiederum sollten Exportanträge nicht genehmigen, sollte ein signifikantes Risiko bestehen, dass die jeweilige Technologie zu Menschenrechtsverletzungen beitragen würde.
Worthülsen aus Wirtschaft und PolitikDie genannten Firmen winken erwartungsgemäß ab. Das schwedische Axis etwa verweist darauf, lediglich Videolösungen in alle Welt zu vertreiben, um die „Sicherheit“ zu verbessern. Zwar räumt das Unternehmen in seiner Erklärung ein, dass seine Produkte auch für andere Zwecke verwendet werden könnten als für die intendierten. Aber man würde seinen Geschäftspartnern „klar kommunizieren, wie unsere Produkte eingesetzt werden sollen“. Angesichts der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in China bleibt dies jedoch nur ein frommer Wunsch.
„Es darf keinen Freibrief für europäische Firmen geben, weltweit die Technologie auszuliefern, mit der Medienschaffende sowie Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger zunehmend überwacht, diskreditiert und verfolgt werden“, sagt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland.
Die EU müsse gesetzlich sicherstellen, so Beeko, dass europäische Technologie von autoritären Regierungen nicht gegen unliebsame Zivilgesellschaft eingesetzt werde. „Sonst sind Solidaritätsadressen für verfolgte Journalisten und Journalistinnen, Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie Oppositionspolitiker und -politikerinnen, ob in Belarus, der Türkei, Russland oder Hongkong, wenig mehr als Worthülsen.“
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Trump vs. chinesische Apps: TikTok und WeChat dürfen bleiben
Im monatelangen Gezerre um die Zukunft der Kurzvideo-App TikTok in den USA ist es zu einer Einigung gekommen. US-Präsident Donald Trump sagte am Sonntag, er würde einem Deal zur Umformung der Firmenstruktur zustimmen. „Ich habe dem Deal meinen Segen erteilt“, sagte Trump.
Damit konnte eine Sperre der App in den US-amerikanischen App-Stores von Apple und Google im letzten Moment abgewendet werden. Sie sollte planmäßig in der Nacht von Sonntag auf Montag in Kraft treten, Nutzer:innen hätten dann keine Updates mehr für TikTok oder WeChat herunterladen können, früher oder später wären die Apps unbrauchbar geworden.
Der Deal, dem der Präsident seinen „Segen“ erteilte, sieht folgendermaßen aus: US-Cloud-Anbieter Oracle wird sich mit dem Einzelhändler Walmart zusammentun, um in eine neue Firma namens TikTok Global einzusteigen, mit Sitz in den USA. Der chinesische Konzern ByteDance bleibt mit einer 80-prozentigen Beteiligung weiterhin Mehrheitseigentümer von TikTok Global.
Das Wirtschaftsministerium gab daraufhin bekannt, dass es die Durchsetzung der Sperre gegen TikTok um eine Woche verschieben würde. Jetzt bleibt den Unternehmen bis zum 27. September, um die Vereinbarung zu finalisieren.
Segen statt RauswurfOb Trump sich auf dieses Arrangement der neuen TikTok-Konstellation einlässt, war bis zum Schluss offen. Ursprünglich hatte er darauf gedrängt, dass TikTok bis zum 20. September an einen US-Eigentümer verkauft werden soll. Als Grund nannte er Bedenken zur „nationalen Sicherheit“, da US-Nutzer:innendaten über die App an die chinesische Regierung gelangen könnten. Als Favorit im Rennen um die App galt lange Zeit Microsoft. Dann hat China mit einer Verschärfung seiner Exportrichtlinien einen Verkauf der App und ihrer zentralen Technologie – dem Empfehlungsalgorithmus – effektiv verhindert.
„Wir freuen uns sehr, dass das gemeinsam von TikTok, Oracle und Walmart erarbeitete Angebot die Sicherheitsbedenken der US-Regierung ausräumt und die Zukunft von TikTok in den USA sichert“, schreibt TikTok-Interims-Chefin Vanessa Pappas in einem Statement am Sonntag. Oracle werde künftig die Daten aller US-Nutzer:innen verwalten. Oracle und Walmart „werden sich an einer vor einem Börsengang stattfindenden Finanzierungsrunde beteiligen. Damit können sie zusammen eine Beteiligung von bis zu 20 Prozent übernehmen. Zudem wird TikTok Global den Hauptsitz in den USA beibehalten und weiter ausbauen, um 25.000 Arbeitsplätze zu schaffen.“
0:2 für das Weiße HausDie von Trump angeordnete Sperre hätte auch die chinesische Multifunktionsapp WeChat treffen sollen. Deren Rauswurf aus den Store verhinderten nicht Konzerne, sondern die Nutzer:innen selbst. Ein kalifornisches Gericht urteilte am Samstag, die Sperre sei unrechtmäßig.
Zuvor hatte eine Gruppe von WeChat-Nutzer:innen aus den USA dagegen geklagt. In dem Urteil heißt es, es gebe „keine möglichen Ersatz-Plattformen für die chinesischsprachige Gemeinschaft“ in den USA. „WeChat ist effektiv die einzige Form der Kommunikation für viele in der Gemeinschaft“ – nicht nur, weil China andere Apps nicht zulasse, sondern auch, weil Nutzer:innen ohne Englischkenntnisse keine andere App nutzen könnten. Die App wird in China für so gut wie alles genutzt – von Chats bis zu Bezahlfunktionen.
Die US-Regierung hätte zudem kaum Beweise dafür vorgelegt, dass eine Sperre von WeChat für US-Nutzer:innen die nationale Sicherheit tatsächlich schützen könne.
WeChat gehört Tencent, einem gigantischen chinesischen Konzern mit Beteiligung an allen möglichen Firmen sowohl in China als auch den USA. Auch im Fall von Tencent hatte sich Trump in einem Dekret darauf berufen, die App sei ein nationales Sicherheitsrisiko. „Wie TikTok sammelt auch WeChat automatisch riesige Mengen an Informationen von seinen Nutzer:innen.“ Diese Datensammlung würde der Chinesischen Kommunistischen Partei Zugriff auf die persönlichen Informationen von US-Amerikaner:innen bieten.
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Personenkennziffer: Gutachten des Bundestages sieht „erhebliche Schwierigkeiten“
Die Bundesregierung plant, die Steuer-ID als einheitliche Personenkennzahl zu nutzen. Der Entwurf des Innenministeriums für das Registermodernisierungsgesetz soll noch diese Woche vom Kabinett beschlossen werden. Gegen die Einführung dieser Personenkennziffer in Deutschland mehren sich die kritischen Stimmen. Ein neues Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages [PDF] hält dies für problematisch.
Mit dem Gesetz würde es technisch möglich, mehr als 50 unterschiedliche staatliche Datenbanken und Register miteinander zu verknüpfen. Wer diese Daten zusammenführt, erhält ein sehr genaues Bild über die Lebensumstände eines Menschen.
In der Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes heißt es, dass die vorgeschlagene Ausweitung der Nutzung der Steuer-ID als allgemeines oder bereichsübergreifendes Personenkennzeichen „erhebliche Schwierigkeiten“ berge. Für eine umfassende Abwägung der Verfassungskonformität fehle aufgrund des straffen Zeitplans der Bundesregierung die Zeit. Es sei jedoch mindestens als offen anzusehen, ob der Zweck und die geplanten Schutzmaßnahmen ausreichen, um die hohe Intensität des damit verbundenen Grundrechtseingriffs zu rechtfertigen.
Nutzung durch Privatwirtschaft möglichDas Gutachten moniert unter anderem, dass nicht ausdrücklich durch eine Regelung ausgeschlossen werden soll, dass die Identifikationsnummer zum Abruf von Informationen aus Registern genutzt wird, die über die eigentlich vorgesehen Basis-Daten hinausgehen.
Das Gutachten sieht in Zusammenhang mit der Datenschutzgrundverordnung eine weitere Gefahr:
Da die Zweckbindung der Verarbeitung der Identifikationsnummer zudem nicht ausschließlich auf die Identifikation von Personen gegenüber der Verwaltung beschränkt ist, ist die Verarbeitung zu anderen Zwecken bis hin zur Nutzung der Steuer-ID in der Privatwirtschaft rechtlich nicht eindeutig ausgeschlossen.
Da mit der Personenkennziffer künftig auch der letzte Behördenkontakt einer Person gespeichert werden soll, sieht der wissenschaftliche Dienst zudem die Gefahr eines „Tracings“ von Bürger:innen, also der Nachverfolgung ihres Verhaltens.
Schon bei der Einführung der Steuer ID im Jahr 2009 hatte es Kritik gegeben, dass diese später als einheitliche Personenkennziffer genutzt werden könnte. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht – entgegen damaliger Beteuerungen – genau dies jetzt vor. Bürgerrechtler hatten dies schon im Vorfeld kritisiert, auch die Konferenz aller Datenschutzbehörden hält den Vorschlag für verfassungswidrig. Die Innenministerkonferenz hatte am letzten Freitag für das Vorhaben einen Big Brother Award verliehen bekommen.
Karlsruhe gegen PersonenkennzahlDas Bundesverfassungsgericht hat sich mehrmals gegen eine solche identifizierende individuelle Nummer ausgesprochen – unter anderem im Volkszählungsurteil von 1983, welches das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung begründete. Die Sorge des Gerichts: Anhand einer zentralen Nummer könnte der Staat sehr einfach Daten zusammenführen und Profile über seine Bürger:innen erstellen.
Dieses Rechtsverständnis ist auch der deutschen Geschichte geschuldet: Die Nationalsozialisten ermordeten Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten in Registern und Verzeichnissen erfassten Gruppen. Das Missbrauchspotenzial staatlicher Datenbanken zeigt sich aber auch heute, wenn Polizist:innen Informationen aus dienstlichen Datenbanken abgreifen, um damit Nachbarn oder Prominente zu durchleuchten oder gar rassistische Drohbriefe wie jene des NSU 2.0 zu versenden.
Klar ist: Je einfacher die Daten von Bürger:innen abgefragt und zusammengeführt werden können, desto größer ist das Risiko und der Schaden eines Missbrauchs.
Alternatives Modell aus ÖsterreichAus Perspektive der Grundrechte sind die Pläne der Bundesregierung nicht nachvollziehbar, denn ein datenschutzfreundlicheres Modell liegt auf dem Tisch. In Österreich gibt es seit Jahren so genannte bereichsspezifische Personenkennziffern, die im Gegensatz zu den deutschen Plänen jeweils immer nur eine Behörde nutzen kann. Ein solches Modell verhindert technisch den Missbrauch und erschwert die Zusammenführung der Daten.
Das Modell aus dem Nachbarland könnte die verfassungsmäßigen Bedenken mindestens lindern, wenn nicht gar ausräumen. Dem Bundesinnenministerium ist diese Alternative seit Jahren bekannt. Doch dort hält man den Schutz der Grundrechte für zu teuer und zu komplex. Es brauche doppelt so lange, dieses System einzuführen, heißt es im Gesetzentwurf.
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NPP 210: Spenden für Corona-Klagen: Wohin fließt das Geld?
Follow the money, heißt eine beliebte Devise im Investigativjournalismus. Die Idee dahinter lautet, dass man politische Korruption aufdecken kann, indem man Geldflüssen folgt. Und genau das haben Daniel Laufer und Markus Reuter für eine aktuelle Recherche getan.
Denn bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen, die derzeit in ganz Deutschland stattfinden, geht es nicht nur um Widerstand gegen Pandemie-Schutzmaßnahmen wie Masken, Impfungen oder Tests. Es geht auch um viel Geld. Im Umfeld der Corona-Leugner:innen sammelt eine Vielzahl von Organisationen Spendengelder ein. Auf der Querdenker-Demo in Berlin wurden allein schon Schecks für 100.000 Euro überreicht.
Was passiert mit diesem Geld? Und wer steht hinter den Organisationen, die versprechen damit Unrecht zu bekämpfen? Mehr über die Hintergründe dieser Recherche erzählt Daniel Laufer. Und nebenbei lernen wir, was ein Lebensfeldstabilisator ist.
Mit in dieser Folge: Daniel Laufer. Moderation: Chris Köver.
Shownotes:
NPP ist der Podcast von netzpolitik.org. Abonniert unser Audio-Angebot, etwa bei iTunes oder Spotify, oder ladet diese Folge als MP3- oder OGG-Datei herunter. Alle unsere Podcasts findet ihr unter: https://netzpolitik.org/podcast. Wie immer freuen wir uns über Kommentare, Wünsche und Verbesserungsvorschläge.
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Wochenrückblick KW38: Von TikTok-Kompromissen und mehrsprachigen Corona-Apps
Auf der Welt passiert gerade gefühlt wieder sehr viel, ob netzpolitisch oder nicht. Auch wenn politische und gesellschaftliche Ereignisse immer komplex sind und die Welt immer chaotisch, hilft es manchmal, darüber zu schreiben. Die Ereignisse hoffentlich begreiflich und einfacher darzustellen, als sie eigentlich sind. Das schafft innere Ordnung und bildet weiter.
Unsere Themen der Woche sind deshalb wie gewohnt breit angelegt. Wir haben uns wieder mal kritisch mit der Polizei beschäftigt. Die Corona-Pandemie beeinflusst weiterhin unsere Berichterstattung – jetzt sogar in einer groß angelegten Recherche. Und natürlich haben wir auch die digitalen Konzerne und die EU-Gesetzgebung nicht aus den Augen gelassen.
Immer mehr Befugnisse für die PolizeiWenn es nach Plänen der EU-Kommission geht, sollen Polizeibehörden zu Ermittlungszwecken europaweit bald leichter auf persönliche Daten von Nutzer:innen zugreifen können. Die sogenannte E-Evidence-Verordnung sieht vor, dass Internetunternehmen wie Facebook Daten an jede Strafverfolgungsbehörde in der EU herausgeben müssen. Chloé Berthélémy vom NGO-Dachverband European Digital Rights erklärt in einem Gastbeitrag, warum diese Pläne Bürgerrechte verletzen und zu Missbrauch verleiten können, und was sie zum Beispiel für friedliche Proteste bedeuten würden.
Die österreichische Polizei setzt neuerdings Gesichtserkennung bei ihren Ermittlungen ein. In dieser Woche wurde bekannt, dass sie den Lichtbildvergleich auch bei politischen Versammlungen nutzt. So zum Beispiel bei Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremen und linken Aktivist:innen in Wien im Sommer. Es war einer der ersten Einsätze der Gesichtserkennung durch die österreichische Polizei, die Technologie stammt übrigens aus Dresden.
Mehrere europäische Polizeibehörden entwickeln derweil ein neues System, um Informationen in Echtzeit untereinander auszutauschen. Das System ist für Ermittlungen in Fällen von Großereignissen und Terroranschlägen gedacht und nennt sich Quick Response for Operational Centers (QROC). Jeder EU-Mitgliedsstaat soll dafür eine Kontaktstelle benennen, die Einsatzzentren tauschen dann unter anderem Video- und Drohnenaufnahmen untereinander aus.
Corona lässt nicht lockerDie Corona-Apps mehrerer europäischer Länder können seit dieser Woche Infektionsmeldungen und Kontaktinformationen untereinander austauschen. Die EU-Kommission hat zunächst einen Testlauf mit ausgewählten Ländern, darunter Deutschland und Italien, gestartet. Im Oktober soll der Regelbetrieb starten. Bislang waren die Corona-Apps der verschiedenen Länder nicht miteinander kompatibel.
In einer groß angelegten Recherche haben sich Daniel Laufer und Markus Reuter in die Finanzierung der Anti-Corona-Bewegung eingewühlt. Ihre Funktionäre werben um Spenden und sammeln bei zahlreichen Organisationen viel Geld ein. Teilweise handelt es sich um sechsstellige Beträge, bei einer mutmaßlichen Briefkastenfirma im Ausland sollen nach sogar Millionenbeträge gesammelt werden. Wer diese Geldsummen verwaltet und was damit wirklich geschieht, ist nach unseren Recherchen völlig intransparent.
Die Pandemie ist in alle Lebensbereiche vorgedrungen und hat viele notwendige Einschränkungen mit sich gebracht. So auch für Gefangene, die über Monate kaum noch Besuch empfangen konnten. Hamburg hat ihnen als einziges Bundesland Handys zur Verfügung gestellt, damit sie den Kontakt zu Angehörigen halten können. Jetzt will die Justiz die Geräte einziehen, weil Besuche wieder möglich sind. Nicht nur die Gefangenen finden das falsch.
Chinas Macht im WestenDer Bieterstreit um das US-Geschäft von TikTok hat noch kein Ende: Anfang der Woche wurde bekannt, dass sich das Software-Unternehmen Oracle gegen die Favoriten Microsoft und Walmart durchgesetzt hat. TikTok will allerdings weiterhin nicht verkaufen. Das Unternehmen schlägt der Trump-Regierung einen Kompromiss vor, in dem Mutterkonzern ByteDance die App halten und Oracle als „Technologie-Partner“ aus dem Deal hervorgeht. Oracle soll damit die Hoheit über die Daten der US-amerikanischen Nutzer:innen erhalten. Wie das Ganze technisch funktionieren soll, ist bislang nicht geklärt.
ByteDance will nun offenbar den Hauptsitz von TikTok in die USA verlegen, wie wenige Tage später bekannt wurde. Das weltweite Geschäft soll von dort aus weitergeführt werden. Dafür soll der Mutterkonzern die Mehrheit der Anteile an TikTok behalten dürfen. Oracle wird laut diesen Plänen die Verwaltung aller TikTok-Daten weltweit übernehmen. ByteDance könnte sich damit Donald Trumps Forderungen nach einem Verkauf entziehen und TikTok trotzdem weiter in den USA anbieten. Doch Trump sperrt jetzt erstmal TikTok und WeChat in den amerikanischen Appstores. Die Soap geht weiter.
Die chinesische Regierung mischt nicht nur gern in Konzerngeschäften mit. Sie bemüht sich auch um einen positiven Ruf Chinas im Ausland, trotz Massenüberwachung und Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land. Jetzt findet sich in drei deutschen Thalia-Filialen ein ungewöhnlich breites Sortiment an chinesischer Literatur – zusammengestellt von einem regierungstreuen Verlag. Das sorgt online und offline für Irritationen.
Grundrechte und Datenschutz im NetzDer europäische Gerichtshof hat erstmals ein Urteil zur Netzneutralität gesprochen. Demnach dürfen Provider den Zugang zu Internet-Diensten nicht selektiv drosseln, wenn Nutzer:innen ihr Datenvolumen verbraucht haben. Die Provider dürfen gemäß der Verordnung zur Netzneutralität nicht einzelne Internetangebote bevorzugt behandeln. In dem vorliegenden Fall hatte ein ungarischer Provider geklagt. Er hatte Nutzer:innen mit aufgebrauchtem Datenvolumen nur den Zugriff auf Whatsapp, Instagram und Spotify ungedrosselt ermöglicht.
Deutschlands Behörden haben indes ein Faible für Microsoft 365-Produkte wie Word, Excel oder Teams. Datenschützer:innen von Bund und Ländern fanden jedoch heraus, dass die Software nicht datenschutzkonform eingesetzt wird. Das Problem ist auch auf EU-Ebene bekannt. Die Behörden räumen dem Konzern zu viele Befugnisse beim Umgang mit Daten ein.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages bezeichnet das geplante Gesetz gegen Hasskriminalität im Netz in einem Gutachten als verfassungswidrig. Das Gesetz ist eine Erweiterung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG). Die Gutachter:innen werten Teile des Hasskriminalität-Gesetzes als unverhältnismäßig, weil Eingriffsschwellen für das Bundeskriminalamt und Telekommunikationsdienstleister fehlen.
Und sonst so?Constanze Kurz hat mit einem ehemaligen Crew-Mitglied des Rettungsschiff Iuventa gesprochen. Die Seenotretter:innen machen aktuell auf einer Website auf die Ermittlungen der italienischen Justiz gegen sie aufmerksam. Der Vorwurf: Beihilfe zur illegalen Einwanderung. Den Crew-Mitgliedern drohen bis zu 20 Jahre Haft, dafür dass sie Menschenleben gerettet haben.
Google und Facebook haben sich lange mit einer offenen internen Debattenkultur gerühmt. Jetzt gehen die Konzerne zeitgleich dagegen vor, indem sie ihre internen Diskussionsforen stärker moderieren und politische Themen in Nischen verbannen wollen. Ein Großteil der Belegschaft arbeitet derzeit aus dem Homeoffice, Diskussionen finden vor allem online statt. Die Firmen begründen ihre Schritte mit einer gestiegenen Zahl an diskriminierenden Äußerungen im Zusammenhang mit der Black Lives Matter-Bewegung und dem Konflikt zwischen Hongkong und China.
Wir wünschen euch ein schönes Wochenende!
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