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Nostalgierock 215. Sendung
Rockn Roll, Pop, Schlager
aus den Jahren 1955 – 1990
und eigene Songs.
Playstation 4: Ghost of Tsushima erhält Koop-Multiplayer
Fuck the Algorithm: Jugendproteste in Großbritannien gegen maschinelle Notenvergabe erfolgreich
In Großbritannien protestieren seit dem Wochenende in London und anderen Städten Jugendliche gegen eine Vergabe ihrer Noten per Algorithmus – und wurden gehört.
Wegen der Corona-Pandemie und den Schulausfällen konnten Prüfungen zum Abitur und zur mittleren Reife nicht abgelegt werden. Zuerst plante das Bildungsministerium, dass die Lehrer:innen die Noten auf Grundlage früherer Bewertungen vergaben. Das führte dazu, dass die Noten im Durchschnitt besser waren als in den Vorjahren. Deswegen ließ das Bildungsministerium die Noten noch einmal mit einem Algorithmus korrigieren, der die Durchschnittsnoten der jeweiligen Schulen der Vorjahre mit einbezog. Die Folge: In 280.000 Fällen wurden Schüler:innen schlechter bewertet, das sind fast 40 Prozent aller Schulabschlüsse des Jahres.
Bei den Protesten machten die Schüler:innen auf Schildern darauf aufmerksam, dass sie den Algorithmus als diskriminierend wahrnehmen. So war auf Plakaten zu lesen, dass Lehrer:innen und nicht die Postleitzahlen über Noten entscheiden sollten. Die Maßnahme wurde mit Schildern wie „Classroom not Class War“ als sozial ungerecht bezeichnet. Hintergrund ist, dass Schüler:innen aus privaten, privilegierten und guten Schulen nicht von der Abwertung betroffen sein könnten, während „Problemschulen“ zur Abwertung führen können – ungeachtet der individuellen Schulleistungen der Einzelnen. Bei einer Demo in London skandierten die Protestierenden „Fuck the Algorithm“ und forderten den Rücktritt des Bildungsministers.
„Fuck the Algorithm“Auch sind unterschiedliche Bewertungen von Zwillingen bekannt geworden, die nach der Benotung durch die Lehrer exakt die gleichen Noten hatten, aber nach der algorithmischen Bewertung unterschiedlich dastanden. Auf den sozialen Bias von Algorithmen im Bezug auf Schulen und Schulnoten hatte schon 2017 Cathy O’Neil in ihrem Buch „Angriff der Algorithmen“ hingewiesen.
Die britische Regierung hatte zuerst angekündigt, dass man sich über die Notenvergabe beschweren könne, zog dieses Angebot dann aber wieder zurück. Nun hat die Regierung die umstrittene maschinelle Benotung zurückgenommen, die Noten der Lehrer:innen zählen jetzt doch.
Schottland hatte sich schon zuvor wegen der Probleme der algorithmischen Einstufung für die Noten der Lehrer:innen entschieden.
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Was vom Tage übrig blieb: Eingekauft, eingetragen und vereinigt
Erfahrungen mit Preisbildungen beim Onlineshopping (Universität Duisburg-Essen)
Viele Online-Händler werten personenbezogene Daten ihrer Kunden aus, um ihnen anschließend unterschiedliche Preise für die gleichen Produkte abzuverlangen. Eine wissenschaftliche Untersuchung der Mercator School of Management der Universität Duisburg-Essen will nun Licht in dieses weiterhin intransparente Dickicht bringen und bittet um Mithilfe. Die Untersuchung selbst läuft anonym ab und nimmt etwa zehn Minuten Zeit in Anspruch.
Österreichische App ersetzt unsichere Coronalisten in Restaurants (Futurezone)
Die aus Österreich stammende „Lipp Gast App“ erlaubt es ihren Nutzer:innen über eine Abfrage künftig auch, ihre Kontaktdaten in Lokalen zu hinterlegen. Damit soll die App die in einigen Lokalen in Österreich aufliegenden Listen ersetzen, in denen sich Besuchende zur Kontaktverfolgung eintragen können. Gegen die Listen hatte es einige Kritik gegeben, da die eingetragenen Kontaktdaten wie die Telefonnummer immer wieder missbräuchlich verwendet worden waren.
Facebook begins merging Instagram and Messenger chats in new update (The Verge)
Die lange angekündigte Verschmelzung von Facebook Messenger, der Chat-Funktion von Instagram und WhatsApp hat offenbar begonnen. Instagram-Nutzer:innen in den USA erhielten nun Benachrichtigungen, nach denen sie künftig mit Facebook-User:innen Nachrichten austauschen können. Den Nachrichtenaustausch zwischen den Plattformen hatte der Konzern bereits vor eineinhalb Jahren verlautbart, dabei versprach Facebook-Chef Mark Zuckerberg die bislang nur bei WhatsApp existierende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für die Kommunikation zwischen den Plattformen. Ob von dem Versprechen noch etwas übrig bleibt, war zunächst allerdings noch unklar.
Hessische Polizei kontrolliert Beamte mit Venenscannern (Golem)
Dass die Polizei ein Problem mit der Nutzung dienstlicher Datenbanken durch Beamte für private Zwecke (z.B. Minderjährige groomen oder rassistische Drohbriefe schreiben) hat, ist inzwischen hinlänglich bekannt. In Hessen wird deshalb nun mit einer besseren Zugangskontrolle durch ein Zwei-Faktor-System experimentiert, bei dem die Polizist:innen ihre Identität nicht nur durch ein Passwort, sondern auch durch einen Venenscann bestätigen müssen. Fünf der kleinen Geräte werden bis Jahresende auf der Polizeistation in Rüsselsheim getestet. Entwickelt wird das System vom „INNOVATION HUB 110“, das laut Pressemitteilung des Innenministeriums eine „neue Software-Schmiede“ der hessischen Polizei ist, in der „die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Start-Up-Atmosphäre an der Entwicklung innovativer IT-Lösungen“ arbeiten. Effektiver gegen den Missbrauch der Datenbanken könnten allerdings ganz andere Maßnahmen sein, die nicht technischer, sondern organisatorischer Natur sind: Alle individuellen Zugangsberechtigungen werden künftig in einem dreiwöchigen Rhythmus zurückgesetzt. Außerdem dürfen Polizist:innen den Raum nicht mehr verlassen, solange sie am Computer angemeldet sind.
Jeden Tag bleiben im Chat der Redaktion zahlreiche Links und Themen liegen. Doch die sind viel zu spannend, um sie nicht zu teilen. Deswegen gibt es jetzt die Rubrik „Was vom Tage übrig blieb“, in der die Redakteurinnen und Redakteure gemeinschaftlich solche Links kuratieren und sie unter der Woche um 18 Uhr samt einem aktuellen Ausblick aus unserem Büro veröffentlichen. Wir freuen uns über weitere spannende Links und kurze Beschreibungen der verlinkten Inhalte, die ihr unter dieser Sammlung ergänzen könnt.
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Neue Genehmigung: Tesla darf Fundamentpfähle einrammen
Der Zeitungsleser August 2020
Aus der Flut von Schlagzeilen von verschiedenen Zeitungen, einige wahllos herausgegriffen und beleuchtet.
Das Geschäft mit dem Trinkwasser. Österreichischer Friedensrat Verbot von Atomwaffen. Sarazzin, eine Draufschau, auf eine religiöse Menschengruppe. Pensionen in Chile usw…
Das alles, musikalisch begleitet mit Singlieder aus der Oper Carmina Burana, Musik aus dem Mittelalter.
Need for Speed, AWS, Facebook: Sonst noch was?
The White Album 1
Das Doppelalbum „THE BEATLES“, das auch unter dem Namen „The White Album“ bekannt ist, ist eins der bedeutendsten der Band wie auch der Rockmusik überhaupt. Es zeigt nicht nur die musikalischen Möglichkeiten der Beatles, sondern ist auch thematisch äußerst breit angelegt. Von Paul McCartneys schlagerhaftem „Ob-la-di, Ob-la-da“ bis hin zu John Lennons apokalyptischer Collage „Revolution 9“ entsteht so ein äußerst plastisches Bild unserer Lebenswirklichkeit. Und dieses Album ist noch genau so aktuell wie in seinem Erscheinungsjahr 1968.
Der erste Teil umfasst die vollständige erste Seite der ersten LP sowie die Songs der zweiten Seite dieser Platte bis einschließlich des Songs „Blackbird“, den Paul McCartney im Alleingang aufgenommen hat einschließlich der Textübersetzungen. Auch Songs mit Beziehungen zu bestimmten Albumtiteln werden vorgestellt wie „I Am The Greatest“ von Ringo Starr oder Howard Carpendales deutsche Version von „Ob-la-di, Ob-la-da“. Eigentlich sollte auch Billy Prestons Version von „Blackbird“ erklingen, aber dafür reichte leider die Zeit nicht mehr.
Fotografin I Fotografinja Nadine Geuter
Ko konji?ek postane služba. I Wenn das Hobby zum Job wird.
?vekali smo z fotografinjo Nadine Geuter iz Ivnika, ki obožuje naravno, ?isto, pristno fotografijo. Posebnost njenih fotografij so spregledane lepote, ki ujete v trenutek slehernega gledalca o?arajo. Sr?en ob?utek fotografinje do ljudi, živali in narave se odraža v njenem fotografskem delu. Osredoto?ena na intimne fotografije parov, Boudoir fotografijo, portrete, divje življenje in pokrajino ostaja odprta za nove fotografske izzive. Z Nadien Geuter samoumevne malenkosti skozi fotografsko le?o postanejo veli?astne.
Wir haben mit der Fotografin Nadine Geuter gesprochen: Die Foto-Enthusiastin von Eibiswald verherrlicht natürliche, pure und echte Fotografie. Das Besondere an ihren Fotografien ist die beinahe „übersehene“ Schönheit von Momentaufnahmen, die jeden Betrachter verzaubern. Die große, herzliche Leidenschaft der Fotografin für Mensch, Tier und Natur spiegelt sich in ihren fotografischen Arbeiten wider. Aktuell konzentriert sie sich auf die Schwerpunkte Intimate Couple Photograpfie, Boudoir, Portraits, Wildleben und Landschaften – trotzdem ist sie immer offen für neue, fotografische Herausforderungen. Mit Nadine Geuter hinter der Fotolinse werden selbstverständliche Kleinigkeiten besonders großartig.
Gestaltung I Oblikovanje: Bojana Šrajner Hrženjak
Saal B – das Filmjournal von Radio Augustin / August 2020
In der sommerlichen Spezialausgabe von Saal B werden drei Themen reflektiert. Erstens: die Wiederbelebung des Kinos nach dem weltweiten kulturellen Lockdown, die wir mit dem Regisseur Paul Poet besprechen. Zweites Thema ist das aus drei Kurzfilmen bestehende Programm „The Battlefield Paradox“, das im Rahmen des dotdotdot Open Air Kurzfilmfestivals im Garten des Volkskundemuseums gezeigt wurde. Und letztlich wird einer der größten Filmmusik-Komponisten der Welt geehrt: Am 6. Juli starb Ennio Morricone, der nicht zuletzt durch seine langjährige Zusammenarbeit mit Sergio Leone berühmt wurde. Er schrieb die Musik zu mehr als 500 Kinofilmen – und die Musik in der heutigen Sendung stammt weitgehend aus seiner Feder. Außerdem kommt zu Wort: Erni Mangold beim Künstlerschweigemarsch 2020 am 1. Juli in Wien.
Validation
Manfred Lepschy über sein Buch “ Bauch ohne“
Manfred Lepschy stellt sein Buch „Bauch ohne- von Mann zu Mann“ vor. Und das auf sehr persönliche Art. Seine Methode des Abnehmens geht von einer ganzheitlichen Sicht des Menschen aus: bewusste Lebensweise, gesunde Ernährung, Bewegung mit Hausverstand und der individuellen Neigung entsprechend- er liebt am meisten das flotte Wandern in der Natur, dem Zufall überlassend, wo er ankommt. Zitat vom Buchdeckel: „Meine Methode ist die Ermutigung zur Eigenverantwortung.“ (Manfred Lepschy) Zum Thema „Abnehmen“ ein humorvoll und übersichtlich gestaltetes Buch.
Kontaktadressen: e-mail: meinemethode@gmail.com Homepage: https://meinemethode.webnode.at Internet-Blog : https://diegesundehalbbildung.wordpress.comAustralien: Google warnt vor Folgen des Bezahlzwangs
Corona-Warn-App: Corona-Infektionen in Bus und Bahn bleiben womöglich unbemerkt
Die Übertragung des Coronavirus im öffentlichen Nahverkehr wurde als eines der wichtigsten Szenarien für die digitale Kontaktverfolgung beworben. Forscher aus Irland zeigen jedoch, dass die Corona-Warn-App in Bussen und Bahnen nicht wie geplant funktioniert.
Bereits im Juni haben Douglas Leith und Stephen Farrell die Ergebnisse ihrer Messung veröffentlicht. Die Informatiker am Trinity College in Dublin stellten fest, dass Metall die Bluetooth-Signale reflektiert und es in der Folge zu falschen oder fehlenden Registrierungen der anderen Fahrgäste in Bussen und Straßenbahnen kommt.
Keine Kontakte registriertDas Ergebnis der Studie ist vernichtend: Unter optimalen Bedingungen, in denen alle Passagiere die Corona-Warn-App aktiviert haben, würde kein einziger Kontakt registriert. Gemessen wurde mit fünf Android-Smartphones, die sich über 15 Minuten in einem Radius von weniger als zwei Metern befanden. Das entspricht den Vorgaben der deutschen Tracing-App.
Bisher habe es noch keine Reaktion vonseiten der irischen Regierung oder der Betreiber des Nahverkehrs gegeben, sagt Leith gegenüber netzpolitik.org. Auch das Robert-Koch-Institut antwortete heute nicht auf eine Presseanfrage.
Digitale Kontaktverfolgung im ÖPNVDie Warn-App wird auf der Internetseite des RKI ausdrücklich für die Kontaktverfolgung im öffentlichen Nahverkehr beworben. „Die Corona-Warn-App kann Begegnungen mit Unbekannten im öffentlichen Raum, zum Beispiel im öffentlichen Nahverkehr oder beim Einkaufen im Supermarkt, erfassen“, schreibt die Forschungseinrichtung noch im Juli.
Circa 17 Millionen Menschen in Deutschland haben die Corona-Warn-App runtergeladen. Wie viele sie aktiv nutzen, lässt sich nicht feststellen. Angesichts der aktuell steigenden Neuinfektionen aufgrund von Reiserückkehrer:innen aus Risikogebieten dürfte die Kontaktverfolgung im öffentlichen Nahverkehr erneut wichtig werden.
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Radio Wissensteam – Sommer Teil 1
Wir widmen uns diesmal ganz den sommerlichen Klängen.
Italohits, Sommerhits und vieles mehr das Lust auf Sommer macht.
Außerdem Interessantes rund um den Itsy Bitsy Tini Wini Honolulu Strandbikini.
Ampere-Grafikkarten: GDDR6X-Speicher soll bis zu 21 GBit/s erreichen
Personalisierte Tickets: Fußballverband will Fan-Daten auch nach Corona erheben
Viele Menschen geben für den Pandemie-Schutz persönliche Daten her, die sie sonst nie freiwillig angeben würden, bei Stellen, denen sie sonst nie ihre Daten anvertrauen würden. Sei es über die Corona-Warnapp oder bei einem Besuch in einem Restaurant oder einer Bar.
Bei der Sorge, dass diese Daten bei Sicherheitsbehörden Begehrlichkeiten auch abseits der Pandemie-Bekämpfung wecken, muss nun wieder ein neues Kapitel aufgeschlagen werden. Hermann Winkler, Präsident des sächsischen Fußballverbandes, bringt im ARD-Mittagsmagazin (ab Minute 1:28) personalisierte Tickets zu Fußballspielen auch nach dem Ende der Pandemie ins Gespräch:
Ich finde das Thema personalisierte Tickets ganz interessant. Das ist ein Thema, was schon immer im Raum geistert, und vielleicht können wir das für die Zukunft für ganz andere Dinge nutzen. Ich denke an Pyro, ich denke an Gewaltexzesse, und das ist eine Sache, wo wir jetzt drüber nachdenken mit den Vereinen.
Geäußert hat Winkler diese Gedanken beim Halbfinalspiel des Sächsischen Landespokals zwischen dem FC Eilenburg und dem 1. FC Lokomotive Leipzig am 8. August 2020. Die Partie war laut dem sächsischen Innenministerium eine der ersten Begegnungen, bei der seit Beginn der Corona-Pandemie Zuschauer:innen zugelassen waren. Die Veranstalter:innen erfassten beim Einlass ins Stadion die persönlichen Daten der Fans.
Sächsischer Fußballverband lässt beinahe alle Fragen offenAuf Anfrage von netzpolitik.org sagte Präsident Winkler, der Hintergrund für personalisierte Tickets sei – abgesehen von der Kontaktverfolgung in Corona-Zeiten – ein höheres Maß an Sicherheit. Bei der UEFA und der FIFA sei das schon gängige Praxis. „Gewaltbereite Fans, die auf Stadionverbotslisten oder in anderer Weise im Fokus der Sicherheitsbehörden stehen, bekommen so keinen Zugang zu Spielen“, so Winkler.
Alle weitergehenden Fragen, wie genau eine Personalisierungspflicht aussehen könnte, welche Daten von wem wie lange gespeichert werden würden und ob diese Pflicht vom Fußballverband oder der Politik eingeführt werden müsste, wollte Winkler nicht beantworten. „Sollte der Vorschlag irgendwann konkreter werden, gibt es genügend Experten bei DFB, DFL und Faninitiativen, die sich aus verschiedenen Perspektiven damit beschäftigen werden“, so der Präsident.
Helen Breit von der Faninitiative „Unsere Kurve“ kritisiert gegenüber netzpolitik.org Winklers Vorstoß: „Eine Debatte um personalisierte Tickets aktualisiert wiederkehrend ein Bild von Fußballfans als Sicherheitsproblem. Wir stellen uns ausdrücklich gegen eine solche Kategorisierung. Wir haben sichere Stadien und werden das auch in Zukunft haben, hierfür bedarf es keiner weiteren Instrumente.“
Fußballfans: Erst diskreditiert und dann überwacht?Ein Blick in die Polizeistatistik scheint Breits Einschätzung zu bestätigen [PDF]. In der Fußball-Saison 2018/19 besuchten insgesamt 22 Millionen Zuschauer ein Spiel der obersten drei deutschen Ligen. In den Anhängerschaften der Vereine in diesen Ligen registrierte die Polizei im selben Zeitraum 13.374 Personen, die als gewaltbereit oder sogar gewaltsuchend eingestuft werden.
Obwohl Fanvertreter:innen schon die Einstufung von Fanseite als willkürlich und intransparent kritisieren, machen die gewaltaffinen Fans deutschlandweit nur 0,07 Prozent aller Stadionbesucher:innen aus. Es erscheint fragwürdig, ob ein so geringer Anteil eine flächendeckende Datenerhebung aller Fans rechtfertigt.
Es sei leider nichts Neues, dass einzelne Akteure aus der Politik Fußballfans pauschal diskreditieren und „dies dann für den Ausbau von Überwachungsmaßnahmen nutzen wollen“, so Breit. In Zeiten von Corona habe man Verständnis dafür, dass eine Kontaktverfolgung gewährleistet sein müsse, wenn Fans wieder in die Stadien zurückkehren sollen. Diese Maßnahmen dürften aber nur vorübergehend sein. Breit fordert, die allgemeine Debatte über Personalisierung nicht mit dem Gesundheitsschutz zu vermischen: „Wir haben deutlich gemacht, dass für uns bei dem sehr sensiblen Thema persönlicher Daten eine frühzeitige und kontinuierliche Einbindung von Datenschutzbeauftragten unabdingbar ist. Denn nur so kann aus unserer Sicht garantiert werden, dass bei einer Erfassung persönlicher Daten der Datenschutz konsequent eingehalten wird.“
Datenschutzbeauftragter sieht keine Probleme beim DatenschutzOb die Fanvertreter:innen von den Datenschutzbeauftragten die erhoffte Unterstützung bekommen, ist aber fraglich. Andreas Schneider, Sprecher des sächsischen Datenschutzbeauftragten, sieht in personalisierten Tickets kein Problem. Er könne zwar nicht einschätzen, inwieweit eine Personalisierung bei der Aufklärung von Straftaten zweckmäßig sei. Bei Konzerttickets sei diese Praxis aber schon länger üblich, Schneider sieht keinen Grund, warum sie nicht auch im Fußball Anwendung finden sollte.
Auch Mario Stenzel, Referent im sächsischen Innenministerium, will auf Anfrage von netzpolitik.org nicht beantworten, ob es von Seiten der Landespolitik Pläne für personalisierte Tickets auch nach der Pandemie gibt. Er erklärt lediglich, dass der Minister personalisierte Tickets während der Pandemie als sinnvoll erachtet. Im Innenministerium fahre man „auf Sicht“. Zu Winklers Gedankenspielen um personalisierte Tickets abseits des Infektionsschutzes wollte sich Stenzel nicht äußern.
Fankultur in GefahrFanvertreterin Helen Breit von „Unsere Kurve“ sieht durch die Personalisierung vor allem die Fankultur in Gefahr:
Ein weiterer Ausbau des Sicherheitsapparats im deutschen Fußball und weitergehende Begrenzungen des freien Auslebens des Fandaseins gefährden unsere einzigartige Fankultur in besonderem Maße. Spontane Spielbesuche oder die Weitergabe einer Karte bei persönlicher Verhinderung sind damit kaum mehr möglich.
Auch rechtlich hält sie die Regelungen für fragwürdig: „Eine Karten- und Platzzuweisung […] verletzt unseres Erachtens rechtsstaatliche Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und Persönlichkeitsrechte. Persönliche Daten sind ein sehr hohes Gut in unserer demokratischen Gesellschaft und müssen konsequent geschützt werden. Der Besuch eines Fußballspiels darf kein Anlass für Sammlung von Daten auf Vorrat sein.“
Breit befürchtet auch, dass die Daten zu Vermarktungszwecken genutzt werden könnten und Fußballfans „zum Kunden reduziert“ werden. Die Daten, die rund um einen Stadionbesuch entstünden und potenziell zusammengeführt werden könnten, stellen laut Breit ein „höchst komplexes Datenvolumen dar, das starker Kontrolle und engen Beschränkungen unterliegen muss“. Daten zur Person könnten beispielsweise über eine Dauerkartennummer mit Standortdaten oder Bezahlfunktionen verknüpft werden.
Nutzung der Daten durch die Polizei?Der Sprecher des sächsischen Datenschutzbeauftragten Schneider hält sogar die Nutzung der Daten durch die Polizei für möglich. Die Strafprozessordnung gebe Ermittlungsbehörden die Möglichkeit, verfügbare Daten für Ermittlungen zu verwenden, die zu anderen Zwecken erhoben wurden. Er sieht in Sachsen einen gewaltaffinen Fußballbereich, in dem schwere Straftaten erwartbar seien. Daten von Zuschauer:innen für Ermittlungen zu nutzen, liege im Ermessen der Polizei und der Staatsanwaltschaft.
Mario Stenzel aus dem Innenministerium gibt an, dass die Veranstalter:innen der beiden Halbfinalspiele des Landespokals die Daten der Fans nicht an die Polizeidirektion Leipzig übermittelt haben. Er betont aber genau wie Schneider, dass das theoretisch im Rahmen der Strafprozessordnung denkbar wäre.
Die Daten würden nach dem Ticketkauf bei den Vereinen gespeichert werden, erklärt Andreas Schneider. Daten im Zusammenhang mit dem Zahlungsverkehr müssten die Vereine nach Handels- bzw. Steuerrecht bis zu zehn Jahre aufbewahren. Alle weiteren Daten sollten die Verantwortlichen nach Zweckerfüllung löschen. Bei einer polizeilichen Ermittlung könnte die Löschung aber aufgeschoben werden. Einen genauen Zeitraum bis zur Löschung konnte der Sprecher nicht nennen.
Das ist insofern fragwürdig, als dass Schneider auch nicht ausschließt, dass die Ermittlungsbehörden die Daten für die Aufklärung von Straftaten verwenden könnten, die nicht in Zusammenhang mit der Veranstaltung verübt wurden. Ob im Rahmen eines Fußballspiels eine Straftat verübt wurde, steht relativ schnell nach Ende der Veranstaltung fest. Will die Polizei die Daten aber – vergleichbar mit den Corona-Listen aus der Gastronomie – auch für Ermittlungen außerhalb verwenden, ist unklar, wie lange Vereine die Daten hierfür vorhalten müssten.
Der sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig ist seinem Sprecher zufolge vom sächsischen Fußballverband und Präsident Winkler noch nicht zur Personalisierung von Tickets nach der Pandemie konsultiert worden. Es habe bislang nur im Zuge der allgemeinen Corona-Bestimmungen für Sportveranstaltungen Abstimmungen gegeben. Dass Schurigs Mitwirken an einem Konzept für personalisierte Tickets dem Datenschutz der Fans erheblichen Vorschub leisten würde, erscheint nach den Aussagen seines Sprechers unwahrscheinlich.
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Künstliche Intelligenz: Gemeinwohl und Nachhaltigkeit statt nur Profit
Annika Kettenburg studierte Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften in Lüneburg, Thailand und Lund (Schweden). In ihrer Masterarbeit, auf der dieser Artikel basiert, untersuchte sie die Potentiale und Grenzen von Künstlicher Intelligenz für Nachhaltigkeit sowie die vorherrschenden Motive im politischen Diskurs um KI.
Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit: Eine kritische AnalyseWohin wir blicken: Die hohen gesellschaftlichen Erwartungen an Künstliche Intelligenz (KI) bleiben omnipräsent. Man schreibt KI Chancen und Risiken riesigen Ausmaßes zu oder stilisiert KI gar als „game changer for climate change and the environment“.
Jedoch ist Maschinelles Lernen (ML) – der Kerninhalt des Oberbegriffs KI – nur für wenige Bereiche sehr gut geeignet und, wie jede Technologie, keine Lösung für soziale und ökologische Probleme.
Um dies zu erläutern, unterscheide ich zwei Ebenen, die im öffentlichen Diskurs zu KI und Nachhaltigkeit häufig nicht stark genug getrennt werden: Da ist die Sphäre der technischen Möglichkeiten, in der KI-Anwendungen für gesellschaftliche Probleme erdacht oder ihre Kosten und Nutzen für Nachhaltigkeit abgewogen werden. Auf dieser Ebene, im Elfenbeinturm der abstrakten Ideen, spielt sich nahezu die gesamte Debatte ab.
Ausgeblendet wird dabei die zweite Ebene: ihr realweltlicher Schauplatz. Hier verlieren logische Argumente über den gemeinwohlfördernden Einsatz von KI an Bedeutung gegenüber ganz anderen Logiken – zum Beispiel dem Streben, mit KI den eigenen Einfluss zu vergrößern.
KI im Elfenbeinturm: Theoretische Limitationen und Chancen für NachhaltigkeitMaschinelle Lernverfahren generalisieren Daten in Modellen und extrapolieren Werte auf Basis der abgeleiteten Funktionen, meist im Rahmen von Regressions- oder Clusteranalysen. Besonders durch den Einsatz neuronaler Netze erfuhren diese bewährten statistischen Verfahren in den letzten Jahren eine große Steigerung ihrer Performanz.
Immer noch aktuell bleibt zugleich die Mahnung zur Vorsicht im Umgang mit solchen Analysen: Daten sind immer von Menschen erzeugt, somit Konstrukte und nie ein objektives Abbild der Realität. Die Repräsentativität von Daten wird stets vorausgesetzt, jedoch faktisch nie erreicht. Fehler sind und bleiben inhärente Bestandteile von ML-Modellen. Die Intransparenz neuronaler Netze verbirgt Fehler und bietet Einfallstore für die gezielte Manipulation.
Wie wünschenswert ist Maschinelles Lernen, und wie mächtig?Umso komplexer die zu modellierenden Zusammenhänge und umso folgenreicher die Anwendung dieser Modelle, desto wichtiger wird die ethische Abwägung des Einsatzes von ML. So ist es zwar möglich, ML zur Vorhersage von sozialem Verhalten für automatisierte Entscheidungsverfahren zu verwenden, etwa für das Kredit-Scoring, Berechnungen der Rückfallwahrscheinlichkeit oder für die Verteilung von Sozialhilfe. Doch während man einen technischen Prozess durch Daten annäherungsweise abbilden kann, ist dagegen die soziale Wirklichkeit nur subjektiv selektiv modellierbar. Zugleich wären Fehlentscheidungen des Modells hier weitaus folgenreicher für die Betroffenen. Darum fokussiert sich dieser Artikel auf die ökologische Komponente der Nachhaltigkeit.
Wie mächtig ist ML? Begriffe wie Künstliche Intelligenz oder Maschinelles Lernen suggerieren, dass die Technologie selbst zum Akteur wird. Doch Daten und ML-Modelle sind Produkte menschlichen Handelns: Daten werden gesammelt und gelabelt, ML-Methoden ausgewählt, Hyperparameter bestimmt, damit herumexperimentiert, erreichte Treffgenauigkeiten als ausreichend akzeptiert und dann das Modell in konkrete Anwendungen eingebettet. Diese menschliche Kontrolle entzaubert KI.
Wie kann ML zu Nachhaltigkeit beitragen? Die Nachhaltigkeitspotentiale von ML kann man grob in zwei Klassen einteilen: zum einen die Generierung empirischen Wissens über Umweltprozesse, gegebenfalls angewandt in Frühwarnsystemen; zum anderen die Steigerung von technischer Effizienz durch genauere Abstimmung von Angebot und Nachfrage.
Generierung empirischen WissensMit Hilfe von ML kann beispielsweise besser vorhergesagt werden, an welchen Standorten und zu welchen Zeitpunkten Dürre droht, Starkregen zunimmt, Gewässer eutrophieren oder die Biodiversität besonders stark abnimmt.
Doch was bewirkt es, das Insektensterben genauer zu kartieren, wenn dort dann kein Lebensraum geschaffen wird? Die Hauptgründe für den Artenrückgang, also intensive Landwirtschaft und Zersiedlung, sind gesellschaftliche Prioritäten. Diese ändern sich nicht automatisch durch mehr Wissen um den damit einhergehenden Biodiversitätsverlust. Umweltwissenschaftler*innen rennen mit ihrer Forschung gegen Wände, und das schon seit Jahrzehnten.
Selbst Frühwarnsysteme vor Naturkatastrophen sind nur so effektiv wie das Krisenmanagement, in das sie eingebettet sind. So sind beispielsweise Warnungen vor Hurrikans in allen Karibikstaaten verfügbar, dennoch unterscheiden sich ihre Opferzahlen erheblich – wie Telepolis bei Hurrikane Matthew titelte: „542 Tote in Haiti, 21 Tote in den USA, 0 Tote in Kuba“. Was zählt, sind die Taten vor und nach einer Katastrophenwarnung, die sofortige Evakuierung und langfristige Prävention, sprich das soziale und politische Krisenmanagementsystem.
Grundlagenforschung ist und bleibt elementar, um unseren Planeten besser zu verstehen und gefährliche Entwicklungen zu antizipieren. Ohne hochkomplexe Klimamodelle – die durch Maschinelle Lernverfahren weiter verbessert werden können – gäbe es Klimawandelbekämpfung und -anpassung in ihrem heutigen Ausmaß wohl nicht. Wie beim Artensterben oder bei Naturkatastrophen ist es hier jedoch eine gesellschaftliche und politische Aufgabe, diesen Umweltveränderungen die entsprechende Relevanz beizumessen sowie Erkenntnisse in politische Strategien und praktische Routinen zu übersetzen.
Das Steigerung technischer EffizienzML-Verfahren können die Genauigkeit von Vorhersagen verbessern. Diese Stärke wird für technische Innovationen genutzt, die mit höherer Treffsicherheit Angebot und Nachfrage zusammenführen.
Einige Beispiele: Durch die Vorhersage der Stromverfügbarkeit in Abhängigkeit von Wetterdaten kann in einem Smart Grid Energie zu den richtigen Zeiten gespeichert beziehungsweise besonders stark verbraucht werden. In der Landwirtschaft können lokale Analysen der Boden- und Pflanzenparameter Entscheidungen über den Dünge- oder Pflanzenschutzbedarf unterstützen. Fahrpläne und Routen im öffentlichen Nahverkehr können auf Basis von Auslastungsdaten besser geplant werden. Durch eine gleichmäßigere Fahrweise können Fahrzeugassistenten etwas Sprit sparen und Staus vermeiden.
Doch Fahrzeugassistenten reduzieren nicht per se das Verkehrsaufkommen, noch motivieren sie uns dazu, Fahrzeuge zu teilen oder gar auf das Fahrrad umzusteigen. Womöglich führen sie dazu, dass Mobilität noch günstiger und bequemer wird, so dass wir häufiger fahren – der bekannte Rebound-Effekt, der Effizienzsteigerungen durch Konsumzunahme energetisch zunichtemacht.
Die häufig geforderten Agrar-, Energie- und Verkehrswenden benötigen primär ganz andere Erfolgszutaten als die marginalen Wissens- und Effizienzzuwächse, die KI ermöglicht. Es bedarf neuer gesellschaftlicher Institutionen, die uns Güter wie Lebensmittel, Energie und Mobilität auf andere Weise bereitstellen. Zum Beispiel ein Verkehrssystem, das viel stärker auf öffentliche, geteilte Fahrten setzt, auf der letzten Meile vielleicht auch selbstfahrend; ein Energiesystem, das auf erneuerbare Quellen umstellt, dabei Nutzer einbindet und Akzeptanz schafft; ein Ernährungssystem, das regionalen und saisonalen Waren den Vorrang einräumt, kleine, nachhaltig wirtschaftende Landwirtschaftsbetriebe unterstützt und Lebensmittelverschwendung eindämmt.
ML kann hier durchaus Beiträge leisten, indem man durch die Vorhersage und Synchronisierung von Angebot und Nachfrage Öko-Effizienz steigert – vorausgesetzt der Effizienzzuwachs ist größer als der materielle Fußabdruck von ML, also der Ressourcenbedarf für Training und Nutzung von ML-Verfahren. Diese Beiträge von KI sind jedoch nichts als Gedankenspielereien, wenn die nötigen Umstrukturierungen nicht gesellschaftlich gewünscht und politisch in Gesamtstrategien eingebettet werden.
KI in der echten Welt: Spielball im fossilen Status quo gesellschaftlicher MachtstrukturenEine effektive Bekämpfung der Klimakrise, des Biodiversitätsverlusts und globaler sozialer Ungleichheit – kurz: die „Große Transformation“ – verlangt nach solchen tiefgreifenden Umstrukturierungen. Technologien können als Werkzeuge nur dazu beitragen, wenn ihr gemeinwohlorientierter Einsatz politisch durchgesetzt wird. Doch die politische Kehrtwende erscheint utopisch – unsere gesellschaftlichen Strukturen und Prozesse spiegeln das Primat des globalen Wettbewerbs um Wirtschaftsmacht wider, während unsere Infrastruktur uns in Abhängigkeit von fossilen Ressourcen hält.
Zugleich ist Technik kein neutraler Faktor, der für Gutes und Schlechtes jederzeit gleichermaßen dient – abstrakt gesehen schon, aber realweltlich nicht. Technologien sind Produkte menschlicher Vorstellungen und Interessen, und solange wir in den beschriebenen Strukturen leben, werden sie zum Großteil erdacht und eingesetzt, um diese dominanten Strukturen zu reproduzieren.
Wofür die ausgereiftesten KI-Systeme heutzutage vornehmlich entwickelt werdenIn diesem großen Bild des fossilen Status quo ist darum viel mehr zu fragen, wie mächtige Akteure KI für ihre Zwecke instrumentalisieren, um die sie begünstigenden Machtverhältnisse aufrechtzuerhalten. Warum werden Smart-Grid-Systeme, Precision Farming oder Fahrzeugassistenten entwickelt? Weil diese Technologien Kosten sparen oder neue Absatzmärkte erschließen, weil sie die Bilanz des nächsten Quartalsberichts aufpolieren und nicht, weil sie dem Gemeinwohl nützen. Das betriebswirtschaftliche Kalkül treibt die heutige KI-Entwicklung fern der nachhaltigen Nische an.
Momentan entscheidet eine Handvoll Unternehmen darüber, welche der vielen KI-Entwicklungen weiter verfolgt wird und wer die Ressourcen erlangt, neue Anwendungen zu erdenken. Auch Regierungen streben durch eine gezielte Forschungs- und Wirtschaftsförderung primär an, ihre nationale Produktivkraft zu steigern oder sich geopolitisch zu behaupten.
So verwundert es nicht, dass die ausgereiftesten KI-Systeme heutzutage vornehmlich für Konsumsteigerung und Kundenbindung entwickelt werden, etwa in Form von Empfehlungssystemen und Sprachassistenten, zur Erschließung neuer Absatzmärkte in der Autoindustrie, zur Automatisierung in Fabriken, für den Hochfrequenzhandel im Aktienmarkt, für die Gesichtserkennung zur staatlichen Überwachung oder gar für eine effektivere Kriegsführung durch autonome Waffensysteme.
Häufig heißt es in solchen Zusammenhängen, die Technologie rase dem Gesetzgeber davon – aber sind es nicht auch Unternehmen, die Technologien vorschnell implementieren, Gesetzeslücken gezielt ausnutzen und Gesetzgebungsprozesse beeinflussen? Sind es nicht auch Gesetzgeber selbst, die Lücken bewusst offenlassen oder die vorhandene Rechtsprechung nicht konsequent durchsetzen?
Es gilt jedoch, nicht nur die Praktiken von Unternehmenszentralen und Regierungen zu kritisieren, sondern zu fragen, welche Umstände ein solches Agieren fördern. Es sind geschichtlich eingebettete Logiken und Diskurse, Institutionen und Infrastrukturen, Regeln und Normen, Gesetze und Wirtschaftsordnungen, die unser Leben bedingen und formen. Sie gestalten unseren Möglichkeitsraum.
Überspitzt formuliert: Ohne sichere Radwege und ausgebauten ÖPNV – keine nachhaltige Mobilität; ohne Preise, die externe Kosten abbilden, – kein nachhaltiger Konsum; ohne finanzielle Grundsicherheit – wenig Gedanken an die sozial-ökologische Utopie oder Zeit für demokratische Einflussnahme; ohne Repräsentanz im Parlament – keine ausgeglichene Vertretung gesellschaftlicher Interessen; im globalen Wettbewerb um knappe Ressourcen, stets die verinnerlichte Selbstoptimierung und institutionalisierte Kostenminimierung; im Finanzmarkt des Überschusskapitals, nur die Jagd auf die höchsten Rendite bei der Wahl von KI als Investitionsobjekt. Strukturen sind größer als Individuen – und so kann man selbst Trump als Symptom seiner Gesellschaft sehen.
Fazit: Erwartungen an KI begrenzen und strukturelle Probleme angehenIn diesem großen Bild der ausbleibenden Nachhaltigkeitstransformation spielt Technik eine untergeordnete Rolle – und für KI bleibt nur eine wesentlich kleinere. Frühwarnsysteme und Energieeffizienzgewinne sind Bausteine einer Großen Transformation, aber nicht ihr Fundament.
Es gibt viele umweltrelevante Einsatzbereiche für ML – all jene, in denen sich ein Problem als quantitativ-statistische Frage beschreiben und durch Daten abbilden lässt. Solche Fragen sind thematisch weit gestreut und betreffen beispielsweise Klimaschutz, Energie, Transport, Landwirtschaft bis zu Naturschutz. Es ist nur nicht absehbar, dass ML-Analysen in diesen Bereichen als „game changer“ zum Wandel zur Nachhaltigkeit beitragen werden – denkbar sind schrittweise Verbesserungen, maximal Etappensiege.
Ich möchte die Beiträge von KI nicht per se schmälern, nur die Erwartungen in Bezug auf sozio-ökologische Probleme zurechtrücken. Es bleibt richtig und gut, die Nische zu stärken, nachhaltige KI-Anwendungen zu fördern und der öffentlichen Imagination Alternativen entgegenzusetzen. Fast allen Akteuren der Nische ist ihre Position schmerzlich bewusst. Denn ohne politisch durchgesetzte Änderungen unserer gesellschaftlichen Strukturen werden diese KI-Anwendungen ihr Potential nicht systematisch entfalten können. Ohne strukturelle Änderungen wird eine Elite weiter Technologien aus primär wirtschaftlichem Kalkül entwickeln und wir uns im Nachhinein fragen, ob und wie diese jetzt eigentlich zum Gemeinwohl beitragen.
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